Mittwoch, 25. September 2013
TOP 5. Polizei-Boykott für Spiele der Fußball-Bundesliga wäre unverantwortlich
Antrag der CDU-Fraktion, Drucksache 16/4013
in Verbindung damit:
Kein Maulkorb für Kritiker – Öffentliche Kritik an Polizeieinsätzen muss weiter möglich sein
Antrag der Piratenfraktion, Drucksache 16/4022
Unser Redner: Daniel Düngel
Unsere Abstimmungsempfehlung zum CDU-Antrag: Enthaltung (für den Fall von Einzelabstimmung: Ja/Ja/Nein)
Unsere Abstimmungsempfehlung zum Piratenantrag: Zustimmung
Der Polizeieinsatz während des Champions-League-Spiels von FC Schalke 04 gegen PAOK Saloniki ist höchst umstritten. Er wurde von vielen Beteiligten scharf kritisiert. Aufgrund der öffentlichen Kritik von Schalke 04 an dem Polizeieinsatz kündigte Innenminister Jäger an, dass die Polizei auf Schalke keine Ordnerfunktion mehr übernehmen wird. Öffentliche Kritik an Polizeieinsätzen ist aber eine wichtige Voraussetzung, um Aufklärung und Transparenz zu ermöglichen. Nur so lässt sich Vertrauen in die Polizeiarbeit wieder herstellen. Darum verlangen wir, die Punkte 1 und 2 der gemeinsamen Erklärung vom 14.09.2013 zwischen dem FC Schalke 04 und dem Innenministerium zu streichen. In dieser Vereinbarung verpflichtet sich Schalke 04, seine Kritik nicht mehr öffentlich zu äußern. Darüber hinaus fordern wir die Landesregierung auf, im Dialog mit allen Beteiligten neue Sicherheitskonzepte mit weniger Polizeipräsenz zu erarbeiten.
Daniel Düngel, Mitglied im Sportausschuss: „Es kann nicht im Interesse von Frau Kraft und schon gar nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sein, wenn Kritik nicht mehr öffentlich erlaubt ist. Dieses von Herrn Jäger ausgehende Signal ist schädlich für unsere Demokratie. Die Ministerpräsidentin muss eingreifen. Sie muss Transparenz und Offenheit auch von Herrn Jäger einfordern.“
Frank Herrmann, Obmann im Innenausschuss: „Innenminister Jäger hat sich als völlig inkompetent im Umgang mit den Fans, Vereinen und Fanvertretern erwiesen. Mit den von ihm angeordneten überzogenen und gefährlichen Maßnahmen sowie dem Kritikverbot an Polizeieinsätzen hat er sämtliches Vertrauen bei den Fans verspielt. Das ist ein innenpolitisches Desaster. Einen gleichberechtigten und vorurteilsfreien Dialog mit allen Beteiligten wird es aufgrund seines unverantwortlichen Verhaltens auf lange Zeit nicht mehr geben können. Wir werden im Innenausschuss weiter auf die Notwendigkeit eines Dialogs auf Augenhöhe mit den Fans drängen. Wir fordern Frau Kraft noch einmal auf, ihren Scharfmacher zurückzupfeifen und unserer Forderung ,Menschenrechte enden nicht am Stadiontor‘ endlich Gehör zu verschaffen.“
Abstimmungsergebnis: beide Anträge wurden abgelehnt
Audiomitschnitt der kompletten Debatte (Die Rede von Daniel Düngel ab 7:00 Min)
Wortprotokoll zur Rede von Daniel Düngel:
Daniel Düngel (Piraten): Vielen Dank
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde gleich zu ein paar Inhalten sprechen. Außerdem habe ich zwei Sachen mitgebracht. Die eine Sache kennt der Minister vielleicht: Das eine ist ein „Maulkorb“, klassischerweise
zum Beispiel für wilde Hunde. Ich habe Ihnen aber noch etwas mitgebracht. (Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Ja, genau; dazu komme ich gleich noch, Herr Hovenjürgen. Ich habe die Vereinbarung zwischen dem FC- Schalke
04 und dem Minister für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein – Westfalen mitgebracht. Warum spreche ich über beides? Beides ist ein Maulkorb, Herr Minister Jäger. Ich werde im Weiteren darauf eingehen, warum gerade die Vereinbarung, die Sie mit dem FC- Schalke 04 getroffen haben, ebenfalls katastrophal ist. Ich möchte eines vorwegnehmen das werden Sie sicherlich gleich noch erwähnen und zumindest aus meiner Sicht zu Recht Die Polizei in Nordrhein- Westfalen macht gute Arbeit. Das sollten wir voranstellen. (Beifall von den PIRATEN und der CDU)
Ich sage das deswegen vorweg, weil es an der Stelle darum geht. Es geht um konkrete Vor fälle, die im Rahmen des Champions League Spiels Schalke 04 gegen PAOK Saloniki stattgefunden haben. Was ist passiert? Schauen wir noch einmal auf dieses Spiel von Schalke zurück! Ich mache es ganz kurz: Es gab eine Fahne, die im Block der Schalker Fans zu sehen war. Offenbar gab es Gewaltandrohungen vonseiten der griechischen Fans, die vor Ort waren. Die Polizei vor Ort entschied, in den Block der Schalker zu gehen. Für mich ist das sagen wir mal merkwürdig. Es wäre nicht unbedingt meine Reaktion gewesen. Eigentlich würde ich versuchen, gegen diejenigen vorzugehen, die irgendwie mit Gewalt drohen. Aber okay.
(Beifall von den PIRATEN)
Jetzt müssen wir uns nicht wundern, wenn solch ein Fanblock in einem Stadion darauf irgendwie schwierig reagiert. Sie haben im Innenausschuss selber gesagt: Eigentlich ist es nicht üblich, dass die Polizei in einen Fanblock geht. Ich hoffe, dass wir zu diesem Status auch wieder zurückkommen. Es hat mich gewundert, dass in dem Bericht, den Sie dem Innenausschuss vorgelegt haben, in Anführungszeichen steht: Die Schalker Ultras sprechen oder sprachen vor Ort von „ihrem Block“. Ich weiß nicht, was die Anführungszeichen da zu suchen haben. Das ist nicht besitzrechtlich, das ist überhaupt keine Frage deren Block.
(Minister Ralf Jäger: Das ist kein rechtsfreier Raum!)
Es ist darauf will ich eingehen, Herr Minister selbstverständlich kein rechtsfreier Raum. Der Herr Kollege Kruse hat es gerade schon gesagt: Kein Mensch spricht eigentlich von rechtsfreien Räumen. Auch Fans wollen keinen rechtsfreien Raum im Fußballstadion. Sie wollen unter bestimmten Voraussetzungen ein vernünftiges Fußballerlebnis haben, und zwar unterschiedlicher Natur. Es gibt eben Ultras, die vielleicht ein bis schen mehr wollen als der Familienvater, der mit seinen Kindern ins Stadion geht. Ich glaube, im Stadion ist genug Platz für beide Interessen. Was ist danach passiert? Wir saßen im Innenausschuss. Da kam es dann zu dieser plötzlichen Ankündigung, dass Sie die Polizei auf Schalke zurückziehen wollen. Ich bin ein bisschen überrascht, dass Sie Ihre Ankündigungen aus der letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause so schnell umgesetzt haben. Ich zitiere Herrn Minister Jäger: Ich bin der Erste, der eine Reduktion dieser Einsatzzahlen befürworten würde, aber sie sind erforderlich, weil sich Straftäter im Kontext des Fußballs tummeln und Straftaten begehen. In der Folge sagt er noch: Ohne die Präsenz der Polizei würden Spiele in der Tat eskalieren. Eigentlich sind wir fertig an der Stelle. Denn an der Stelle ist die Bewertung, die Sie im In nenausschuss vorgenommen haben, Herr Minister Jäger, völlig unverantwortlich und völlig überzogen genau wie der Polizeieinsatz in Gelsenkirchen selbst.
(Beifall von den PIRATEN und von Josef Hovenjürgen [CDU])
Sie sprechen im Innenausschuss von Kommunikationsproblemen, die es vor Ort gegeben hat. Was machen Sie? Ihre Handlung ist: Sie brechen die Kommunikation an der Stelle vollkommen ab.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Sie treffen eine Entscheidung
mehr oder weniger spontan im Ausschuss und stellen die Leute vor vollendete Tatsachen. Das geht so nicht.
(Beifall von den PIRATEN)
Was passiert dann 48 Stunden später? Auch das hat Herr Kollege Kruse gerade gesagt. Quasi auf dem Weg nach Mainz treffen Sie sich mit den Schalker Vertretern nicht Sie auf dem Weg nach Mainz, sondern der Kollege Peters und machen noch schnell diese unsägliche Vereinbarung, die dann entstanden ist. Sie geben den Vereinen in Nordrhein – Westfalen einen Maulkorb. Jeder Bundesliga, jeder Fußballverein weiß an der Stelle, er darf die Polizei nicht öffentlich kritisieren, sonst kommt der Innenminister nachher daher und sagt: Die Polizei in deinem Stadion nein, das geht nicht.
(Beifall von den PIRATEN)
Meine Redezeit rennt davon; ich komme zum Schluss. Ich will noch zwei Sätze zum CDU Antrag sagen. Wir Piraten werden uns bei dem Antrag enthalten. In dem Antrag sind ein einige richtige Punkte. Sie wissen das. Mir persönlich setzt er die Konzentration zu stark auf ein Gewaltproblem. Die Problematik im Fußballstadion in der Form wie es in Ihrem Antrag implizit steht, haben wir nicht. Herr Minister Jäger, ich fordere Sie auf: Kommen Sie zurück zum Dialog! Das sind die Forderungen, die auch in unserem Antrag stehen. Sprechen Sie mit den Vereinen, sprechen Sie mit den Fans! Ich lade Sie sehr herzlich ein wir als Piratenfraktion machen es in Kürze schon zum sechsten Mal: Kommen Sie zu unseren Fan Hearings. Vielleicht ist das der Beginn eines richtigen Dialogs mit den Fans, mit den Vereinen. Dann können wir wirklich ein vernünftiges Konzept erstellen, wie mit Fans, wie mit Fußballspielen sicherheitstechnisch umzugehen ist.
–
Danke.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Düngel