Plenarsitzung 14 vom 28. November 2012
Kai Schmalenbach zu TOP 1: Versorgungssicherheit für Haushalts- und Industriestrom in Nordrhein-Westfalen garantieren – Betrieb von fossilen Kraftwerken sichern
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 16/1543
In Verbindung mit: MKULNV – oder wie die Energiewende misslingt, Eilantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 16/1544
Kai Schmalenbach (PIRATEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wow, Herr Priggen! Ich hoffe, dass ich durch diese Legislaturperiode komme, ohne ständig den anderen vorzuwerfen, sie hätten keine Ahnung. Ich gehe einfach mal davon aus, dass alle Abgeordneten hier im Haus Ahnung von Ihrem Ressort haben.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Schön wär’s!)
Wir Piraten begrüßen es, dass die erneuerbaren Energien schon jetzt einen deutlichen wirtschaftlichen Vorteil vor den fossilen Kraftwerken erreicht haben. Das sehen wir als Beweis dafür an, dass die Energiewende auf dem richtigen Weg ist.
Derzeit gibt es keine stichhaltigen Beweise dafür, dass der deutsche Strommarkt den Anforderungen an die Versorgungssicherheit nicht gewachsen ist. Trotzdem halten wir es für erforderlich, auf Extremsituationen, wie sie sich zum Beispiel durch sehr kalte Wintertage ergeben können, vorbereitet zu sein. Dies kann durch eine moderate Anpassung des Marktsystems oder die Einrichtung einer Kaltreserve für Notfälle erreicht werden. Zusätzlich ist derzeit eine Verordnung auf dem Weg, nach der die Stilllegung von Kraftwerken ein Jahr im Voraus bekannt gegeben werden muss, die ihnen im Notfall untersagt werden kann.
Eine Kaltreserve für Notfälle darf den Marktmechanismus an sich aber nicht beeinflussen, sondern nur eine Versicherung für Extremsituationen darstellen. Die Vergütung der Unternehmen für den Weiterbetrieb sollte fair sein und transparent gestaltet werden. Zeitgleich müssen der Ausbau von Speicherkraftwerken und der erforderliche Netzausbau engagiert vorangetrieben werden, sodass auf eine Notreserve langfristig verzichtet werden kann.
Ein Zubau an fossiler Kraftwerkskapazität ist im Zuge der Energiewende weder ökologisch noch wirtschaftlich sinnvoll. Auch in Bezug auf Versorgungssicherheit sind andere Maßnahmen effizienter.
Eine grundlegende Überarbeitung des Strommarktdesigns ist kurzfristig weder notwendig noch sinnvoll. Schon durch moderate Anpassung des Marktsystems oder durch Einführung einer Notreserve kann der wirtschaftliche Betrieb erforderlicher Kraftwerke kurzfristig gewährleistet werden.
Da der Stromverbrauch kurzfristig nur wenig auf Preisänderungen reagiert, können Knappheitssituationen anders als auf vielen anderen Märkten nur bedingt durch einen Preisanstieg verhindert werden. Ein Grund hierfür ist die festgelegte Obergrenze für Strompreise. Sie verhindert, dass sich Spitzenlastkraft in Knappheitssituationen rentiert. Eine kurzfristige Anhebung der Preisobergrenze könnte hier Abhilfe schaffen.
Die Einführung eines Kapazitätsmarktes bedeutet eine fundamentale Veränderung des derzeit bestehenden Systems. Dies führt zu hohen Anforderungen an die Verwaltung und zu einer signifikanten Verkomplizierung des Marktsystems. Zusätzlich können Designfehler zu einer Verzerrung des Marktergebnisses führen. Da es außerdem derzeit keine stichhaltigen Belege dafür gibt, dass die Versorgungssicherheit im bestehenden Markt gefährdet ist, bieten sich moderate Maßnahmen wie die Anhebung der Preisobergrenze oder die Einführung einer Notreserve an.
Die CDU möchte in diesem Zusammenhang, dass die Studie veröffentlicht wird. Diesem Wunsch würde ich mich eigentlich anschließen wollen. Eine unfertige Studie zu veröffentlichen, ist aus unserer Sicht aber nicht sinnvoll. Das führt nur zur unnötigen Verwerfungen, wie die Presseberichte eindeutig zeigen.
(Beifall von den PIRATEN und Dietmar Brockes [FDP] – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
– Liebe Grüne, bevor Sie applaudieren, sage ich: Der Umgang mit Studien und Gutachten wird uns hier ganz bestimmt eine Zeit lang beschäftigen. Ich würde mich wünschen, dass Veröffentlichungen nicht eingefordert werden müssen, sondern automatisch passieren.
(Beifall von den PIRATEN und Dietmar Brockes [FDP] – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Herr Priggen, ob eine Studie veröffentlicht wird, liegt nicht im Ermessen der Regierung. Sie muss veröffentlicht werden.
(Beifall von den PIRATEN)
Weiterhin scheint es uns angebracht zu sein, sich dafür einzusetzen, dass die Entstehung von Studien und Gutachten dokumentiert wird. Die Nachrichten vom Armutsbericht heute Morgen dokumentieren dies eindrucksvoll. Dafür werden wir uns einsetzen.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich habe mir Mühe gegeben, das Kraftwerkserneuerungsprogramm – wow, schönes Wort! – zu finden. Am Ende steht für mich die Frage, welches wohl gemeint ist, und vor allem, aus wessen Feder. Die ersten „Google“-Treffer dazu sind allesamt von RWE.
(Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN)
Und die Suchergebnisse aus dem Landtagssystem sind deutlich veraltet.
Für mich hinterlässt der Antrag der CDU ausschließlich Fragen. Die Regierung erklärt in Person von Minister Duin, dass sie Braunkohlestrom per HGÜ-Technik nach Süden exportieren will. Die Netzagentur hat in ihren Charts NRW 2020 als Stromimporteur markiert. Und die Opposition malt permanent den Teufel der Unterversorgung an die Wand. Ich frage mich ernsthaft, welche Informationen in dieser Sache valide sind.
(Beifall von den PIRATEN)
Wir werden diesen Antrag ablehnen.
(Zuruf von den GRÜNEN)
– Wer war das? Herr Markert?
(Zuruf von Hans Christian Markert [GRÜNE])
Wir werden diesen Antrag ablehnen, weil er in unseren Augen nur wieder das Ziel zu haben scheint, die andere Seite zu diskreditieren.
Konstruktiv wäre es aus unserer Sicht gewesen, einen Veröffentlichungstermin zu erfragen, die Entstehungsgeschichte nach Veröffentlichung zu fordern und das Bekenntnis aus Punkt 2 zu entfernen. Einem solchen Antrag hätten wir zugestimmt. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)