Plenarsitzung 15 vom 29. November 2012
Frank Herrmann zu TOP 2: Gesetz zur Stärkung der kommunalen Demokratie
Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/1468
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, Drucksache 16/1557
erste Lesung
Redeprotokoll:
Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Tribüne und am Stream! Das Kommunalwahlrecht in NRW wurde in den letzten Jahren immer wieder Reformen unterzogen. Wie wir heute schon mehrfach gehört haben, verabschiedete die damalige schwarz-gelbe Koalition 2007 das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, das Gemeindeordnungsreformgesetz. Teile dieser Reform wurden bereits wieder zurückgenommen, zum Beispiel die Abschaffung der Stichwahl bei den Bürgermeisterwahlen, was wir im Übrigen nicht begrüßt haben.
Heute wird ein rot-grüner Gesetzentwurf beraten, mit dem ein Kernelement der schwarz-gelben Reform von 2007 zurückgenommen werden soll, die Entkoppelung der Bürgermeister- und Landratswahlen von den Wahlen der kommunalen Vertretungen. Die grundlegenden Argumente sind ausgetauscht. Die gemeinsame Wahl ist sicher zu bevorzugen. Denn eines kann man doch festhalten: Die Behauptung, dass durch die Entkoppelung die demokratische Beteiligungsmöglichkeit der Bürger ausgebaut würde, ist falsch. Das zeigen doch die Erfahrungen in den anderen Bundesländern klar: Die Wahlbeteiligung sinkt durch entkoppelte Wahltermine.
Vor dem Hintergrund der Stärkung der kommunalen Demokratie muss ich über den CDU-Vorschlag einer 3-%-Hürde bei der Kommunalwahl mein Unverständnis zum Ausdruck bringen. Herr Nettelstroth möchten Sie dem Wähler mitteilen, dass nur große Parteien gewählt werden dürfen? Dem würden wir sicherlich nicht zustimmen.
Für eine echte Stärkung der kommunalen Demokratie sehen wir noch ganz andere Themen entscheidend, die im vorliegenden Gesetzentwurf leider nicht berücksichtigt sind. Da wären die Wahlverfahren und die Schaffung von weiteren Möglichkeiten für die Bürger, sich zu beteiligen. Ich weiß, Sie haben schon in der letzten Wahlperiode über das Wahlverfahren „Panaschieren und Kumulieren“ geredet. Obwohl sich dieses System in nahezu allen Bundesländern bewährt hat, haben Sie vor einem Jahr gegen den Vorschlag der FDP gestimmt, dieses Wahlverfahren einzuführen. Aber jetzt sind wir mit frischen Argumenten da. Wir hoffen, dass wir gemeinsam mit Ihnen ein Wahlrecht in NRW schaffen, das die Menschen mitnimmt und beteiligt. Das Panaschieren und Kumulieren der Wählerstimmen kann dazu einen guten und wichtigen Beitrag leisten.
Uns fällt es auch schwer, nachzuvollziehen, warum seit Jahrzehnten in NRW lebende Bürger kommunal nicht mitwählen dürfen. Wieso sollten Menschen nicht dort wählen dürfen, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben? Als EU-Bürger darf man kommunal wählen. Warum ermöglicht man das zum Beispiel Menschen mit türkischem Migrationshintergrund nicht?
(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)
Wir möchten, dass sich NRW im Bundesrat um eine entsprechende Änderung im Grundgesetz bemüht.
Schon Anfang nächsten Jahres bekommen Sie, meine Damen und Herren, eine weitere Gelegenheit, einen eklatanten Fehler im Kommunalwahlrecht zu beheben. Wir fordern mit unserem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlrechts, dass das aktive Wahlrecht dem passiven Wahlrecht gleichgestellt wird. Warum sollte das Wählerverzeichnis im Falle einer Wiederholungswahl aktualisiert werden, das Angebot an zur Wahl stehenden Personen jedoch nicht? Dafür gibt es keinen Grund.
Wir empfehlen weniger Klein-Klein. Packen wir das Wahlrecht richtig an. Schaffen wir eines, was nachhaltig und beständig ist und den Anforderungen an moderne Demokratie gerecht wird. Wir freuen uns auf die Beratungen im Ausschuss. – Danke schön.
(Beifall von den PIRATEN)