Unser Antrag im September-Plenum:
Mittwoch, 30. September 2015, TOP 6, ca. 14.20 Uhr
Schutzsuchende ans Netz – freien und offenen Internetzugang in den Erstaufnahme- und zentralen Unterbringungseinrichtungen bereitstellen
Drucksache 16/9784
In den Unterbringungseinrichtungen muss es einen freien und offenen Internetzugang geben. Die Freifunkinitiativen in NRW sollen dabei mit einbezogen werden. Geflüchteten muss eine barrierefreie und zeitlich unbegrenzte Nutzung des Internets ermöglicht werden. Das Internet stellt für die Schutzsuchenden oftmals die einzige Mög lichkeit zur Kommunikation mit Freunden und Familie dar. Der Zugang fördert die gesellschaftliche Teilhabe der Geflüchteten ab dem Tag ihrer Ankunft und leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration.
Lukas Lamla, Abgeordneter der Piratenfraktion NRW:
„Wir müssen Geflüchtete ans Netz bringen. Unterkünfte für Geflüchtete brauchen einen Internetzugang. Zur Unterstützung müssen unbedingt die Freifunkinitiativen in NRW mit einbezogen werden.
Mit einem Internetzugang können die Menschen nicht nur Kontakt in die Heimat halten, sondern auch zu Freunden und Verwandten, die auf der ganzen Welt verstreut sind. Außerdem hilft das Internet beim Erlernen der deutschen Sprache. Der Zugang ist ein wichtiger Beitrag zur Integration.“
Videomitschnitt der kompletten Debatte:
Wortprotokoll der Rede von Lukas Lamla:
Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Zuschauer am Stream! Die Versorgung von Geflüchteten ist eine der Herausforderungen, der wir uns hier in Europa stellen müssen. Tag für Tag arbe iten viele Tausende Menschen – darunter viele Ehrenamtliche – dafür, den Schutzsuchenden eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen. Trotz vieler Probleme und Sprachbarrieren halten die Menschen bei uns im Land zusammen und arbeiten daran, unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Dafür haben sie unsere volle Anerkennung und Unterstützung verdient.
(Beifall von den PIRATEN)
Auch in den sozialen Netzwerken organisieren sich die Menschen. Sie gründen Gruppen, sammeln Kleider, sammeln Sachspenden, organisieren Hilfsangebote und Sprachkurse. Ohne das Netz wäre diese schnelle Hilfe oftmals nicht möglich. Das digitale Zeitalter hat aber nicht nur bei uns vieles verändert. Weltweit gehören Smartphones – und damit der Zugang zum Internet – zum Mittelpunkte des Alltags. So verwundert es nicht, dass die Vertriebenen heute meist nur ein Smartphone bei sich tragen, auf dem jedoch ihre wertvollsten Schätze zu finden sind: Familienfotos, Bilder aus der Heimat, abfotografierte Zeugnisse von Schulen und Universitäten, Geburtsurkunden und nicht zuletzt Telefonnummern und E-Mail-Adressen von Verwandten, Freunden und Begleitern. Dokumente aus Papier haben in der Regel die Reise über das Meer in einem Boot nicht überstanden – im Gegensatz zu einem kleinen, mehrfach in Folie eingepackten Handy. Meist sind die Inhalte auf den Smartphones der einzige verbliebene Nachweis der Identität der Menschen. Das ist – neben ihrem Leben und ihren Familien – das Kostbarste, was sie noch besitzen.
So verwundert es nicht, dass die Flüchtlingshilfe in der heutigen Zeit auch einen Fokus auf die digitale Teilhabe richten muss. Geflüchtete suchen nach ihrer Ankunft häufig Zugang zum Internet. Man will der Familie in der Heimat sagen, dass man angekommen ist und dass es einem gut geht. Man will auch schauen, wo sich andere Familienmitglieder befinden, die auf der Flucht getrennt worden sind, und ob sie überhaupt noch leben. Jeder, der einmal erlebt hat, welche Erleichterung in den Augen der Menschen zu sehen ist, wenn ihr Smartphone anzeigt, dass eine Verbindung zum Internet besteht, wird wissen, wie wichtig ein barrierefreier Zugang zum Internet für diese Menschen ist. Wer dann auch noch sieht, wie ganze Familien den Zugang zum Internet nutzen, um aus eigenem Antrieb heraus die deutsche Sprache zu nutzen, dem wird klar, wie groß der Integrationswille ist. Es werden Onlinesprachkurse gemacht sowie TV-Programme und Videos in einfacher Sprache geschaut. Schon die Kleinsten dort versuchen, nachzuplappern, was sie dort gerade hören
Doch Internetzugänge in Unterbringungen für Geflüchtete sind heute eher die Ausnahme als die Regel. Meist sind es private Personen, die diesen Bedarf erkannt haben und sich darum bemühen, Abhilfe zu schaffen. Allen voran sind hier die Freifunker und Freifunkerinnen zu nennen, die aktuell viel Zeit investieren,
(Beifall von den PIRATEN)
Bewohner in der Nähe von Unterbringungseinrichtungen zu überzeugen, einen Teil ihrer Internetkapazität für Geflüchtete freizugeben – trotz Störerhaftung und anderer Monsterkonstrukte in der Gesetzeswelt. Mit viel Aufwand wird dieses WLAN dann teils über weite Strecken in die Unterkünfte gebracht. Das gelingt aber nicht immer. Auch die Freifunker und Freifunkerinnen sowie die Freifunkvereine stoßen an ihre Belastungsgrenzen. Diese Situation könne n wir heute mit einer einfachen politischen Entscheidung verbessern, wenn wir alle der Meinung sind, dass ein Internetzugang neben Strom und Wasser zur Grundausstattung einer Geflüchtetenunterkunft gehören soll. Dann würden wir einen großen Beitrag zur Verbesserung der aktuellen Situation leisten. Ich würde mich daher freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen würden. Vermutlich werden Sie das aber nicht tun, da just heute von Rot-Grün ein eigener Entschließungsantrag veröffentlicht wurde. Ich wundere mich schon, dass in diesem ausgerechnet die Telekom so massiv in den Vordergrund geschoben wird. Nur am Rande: Ausgerechnet die Telekom ist es, die mit Abmahnanwälten wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen gegen Freifunkinitiativen vorgeht. Auch sehr bedaue rlich ist, dass nach dem rot-grünen Antrag ausschließlich Regelunterbringungseinrichtungen mit Hotspots ausgestattet werden sollen. Zum einen ist das besonders traurig, weil neben den ca. 20 Regelunterbringungseinrichtungen noch über 100 weitere Notunterkünfte und Zeltstädte in NRW existieren. Diese sollen anscheinend nicht mitberücksichtigt werden.
Der Begriff „Hotspot“ ist zudem vermutlich aus der Feder der Telekom-Marketingabteilung gekommen. Was Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, wahrscheinlich meinen, sind Access Points. Da gibt es einen deutlichen Unterschied vor allem auf der technischen Ebene; denn ein Hotspot lässt keine Konnektivität zwischen den Clients zu. Das ist also genau das Gegenteil der Ziele der Freifunkinitiativen. Wir werden daher die Forderungen des rot-grünen Antrages in Einzelabstimmungen behandeln und uns bei den Forderungen 1 und 2 enthalten, da wir zwar die grobe Richtung begrüßen, diesen Antrag aber so nicht mittragen werden.
Dem Punkt 3 stimmen wir zu, da die Freifunkinitiativen eine wichtige Schlüsselposition innehaben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den PIRATEN)