Zur Forderung nach einem temporären Smartphoneverbot an Schulen wegen des PokémonGo-Fiebers sagt Monika Pieper, bildungspolitische Sprecherin der Piratenfraktion NRW im nordrhein-westfälischen Landtag:
„Und wieder mal kommt es von den üblichen Verdächtigen zu reflexhaften Verbotsforderungen. Warum? Weil das Internet irgendwie gefährlich scheint? Solche Forderungen zeigen, wo sich einige in der bildungspolitischen Entwicklung befinden. Im tiefsten Mittelalter!
Es scheint, dass diejenigen, die solche Verbote fordern, sich nicht ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt haben, sondern einen Anlass sehen, mal wieder ihre technikfeindliche Grundeinstellung zu verbreiten. Wer das Spiel kennt, weiß, dass es sich um ein Bewegungsspiel handelt. Da ist der Klassenraum nicht attraktiv, solange es keinen Pokéstop direkt auf dem Schulhof gibt.
Smartphones gehören in den Unterricht und nicht verboten! Wir brauchen keine technikfeindlichen Lernumgebung, sondern Kollegen und Kolleginnen, die das Smartphone sinnvoll in den Unterricht integrieren. Ja, auch das Pokémon-Spiel. Wie viele Bonbons und Taubsis brauche ich, um aus einem Taubsi ein Tauboga zu entwickeln? Wie setze ich ein Glücksei sinnvoll ein? Das ist sicherlich eine sehr spannende Mathestunde, bei der die Schüler hochmotiviert mitarbeiten. Ich wünsche mir dazu in der Schule Intuition, Weisheit und Wagemut. Auch das Thema Datenschutz kann man mit diesem Spiel schön exemplarisch beleuchten.
Wir müssen die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen endlich in den Unterricht reinholen, statt sie auszublenden und zu verbieten.“
Froschkoenig84
Hmmm… ich bin da etwas kritischer. Ganz klar ist das Pokemon-Verbot ist Unsinn, wobei ich bezweifle, dass es viele digitale Belohnungen in Schulen gibt. – Allerdings bin ich der Meinung, dass SmartPhones im Unterricht viele Lehrer (und auch Schüler) überfordern werden. – Natürlich wäre es „Wasser predigen und Wein saufen“, wenn wir weiterhin unseren Kindern erklären, wie schädlich diese attraktiven „Technikknochen“ seien, während wir sie selber kaum noch aus der Hand legen.
Allerdings habe ich in meiner entfernten Familie festgestellt, dass ernsthaft Suchtpotential besteht. Jugendliche, die zwar aufgrund von nachts gekappten Internet nicht mehr am PC/Laptop surfen, jedoch umso mehr übers SmartPhone. Kids, die lieber auf ihr Taschengeld verzichten, anstatt auch nur 5min auf ihr Handy. :/
Die Problematik beginnt aber oft nicht mit der verfügbaren Technik, sondern mit dem Umgang. Oft unterschätzen viele Eltern ihre eigenen Kindern und verpassen den richtigen Einstieg. Vielleicht sind sie entweder technikbesorgt und zögern die Einweisung zu lange heraus oder sie sind selbst Sklave der Technik und projizieren jede Menge fehlerhaften Vorbildcharakter.
Wenn man einem 9-jährigen Mädl bereits erklären kann, wie man Dienste sinnvoll nutzt und dass Facebook-Freunde maximal entfernte Bekannte sind, wird ein Kind möglicherweise das Internet ganz anders auffassen, als wenn man selber den halben Tag bei Instagram sein Essen postet unzählige Selfis vor dem Spiegelt shared oder anstatt den gemeinsamen Abend lieber zum Chatten mit besagten digitalen FB-Bekanntschaften zu vergeuden.
Andererseits gibt es Kinds, die nicht mehr davon los kommen. :/ Auch im Unterricht (ebenso beim gemeinsamen Essen), könnte ich mir den freien Gebrauch des eigenen Handys als wenig förderlich vorstellen. – Und genau deswegen sollte das SmartPhone sowohl seitens der Eltern, als auch in der Schule besprochen werden.
Ob man deswegen gleich Taubsis in Mathe zählen muss, weiß ich nicht. Vermutlich würde es schon reichen, wenn man in Rechnungswesen das Beispiel eines Produktionsunternehmens anhand einer Kondom-Fabrik aufzeigt, um das Interesse der Schüler zu wecken. – Aber das wäre generell ein eigenes Thema für sich, denn obwohl ich die binomischen Formeln vor 18 Jahren gelernt habe, ich weiß bis heute nicht, wozu. 😉
Nichtsdestotrotz, sollte das Handy weder im Mittelpunkt stehen, noch aus der Schule verbannt werden. Wenn beispielsweise der Erdkundelehrer nach der Entfernung zwischen Hamburg und München frägt und ein smarter 11-Jähriger Dank seiner Kartenapp eine km-genaue Antwort liefert, ist das vermutlich sinnvoller, als wenn 30 gelangweilte Schüler ihren Atlas aufschlagen und mit dem Lineal und einfachem Dreisatz eine ungefähre Schätzung abgeben. (Übrigens, wissen Sie wie weit München und Hamburg auseinander liegen??)
Das gleiche könnte für Geschichte gelten, auch wenn es nicht verkehrt ist, einen ungefähren Durchblick zu haben, allein schon, um bei Wikipedia nach den richtigen Details zu suchen. Meine Lehrer haben damals immer behauptet, es ist nicht wichtig alles auswendig zu wissen, sondern zu wissen, wo man es nachlesen kann. – Ich wette mit einem Smartphone sind sie bis heute überfordert. :/ Ganz im Gegensatz zu unseren Kids, … wenn wir sie auch richtig mit dem Umgang schulen und fördern.
Wir sollten auch nicht vergessen, dass das Smartphone in Verbindung mit dem Internet nicht irgendwann alltäglich oder gar langweilig zu werden droht… dafür lassen sich die App-Designer, Spiele-Entwickler oder Dienstleister immer wieder etwas neues einfallen. – Diese Investition dient also langfristig!! Wir müssen uns nur die Zeit nehmen.
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auf bald, …
***der Frosch
@Froschkoenig84
(Pirat aus München)
Piratenfraktion NRW
@Froschkoenig
Danke für deine ausführliche Kritik.
Das Krude an der Sache ist ja, dass Pokémon Go lediglich als Vorwand genommen wird, um ein grundsätzliches (!) Handyverbot durchzusetzen. Das lehnen wir generell ab. Hierzu haben wir auch schon zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt.
http://monika-pieper.de/2016/04/kein-generelles-handyverbot-an-schulen-in-nordrhein-westfalen-das-smartphone-als-teil-der-lebenswirklichkeit-von-jugendlichen-respektieren/