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Antrag im Plenum: Mittwoch, 11. Mai 2016, TOP 4, ca. 12.35 Uhr

 

I. Sachverhalt

Im Frühjahr 2015 sammelte die Initiative ‚G9Jetzt!‘ über 100.000 Unterschriften für eine Rückkehr zu G9 und übergaben sie dem Landtag. Jetzt hat die Landeselternschaft der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen auf ihrer Mitgliederversammlung am Samstag (16.4.2016) die Ergebnisse einer Umfrage mit rund 54.000 Beteiligten präsentiert: 80 Prozent aller Befragten sind für G9 und damit dreizehn Schuljahre an den Gymnasien.

Die Elternschaft der nordrhein-westfälischen Gymnasien war schon lange unzufrieden mit der Situation an den Schulen. Daher beschloss der Verband eine Basisbefragung der Mitglieder. Darüber hinaus wurde eine Online-Befragung angeboten, bei der neben Eltern und Schülern auch Lehrer, Schulleiter und außerschulisches Personal ihre Meinung kundtun konnten.

Das Ergebnis der Umfrage ist eindeutig für G9!

Die Landeselternschaft der Gymnasien beauftragte Professor Dr. Rainer Dollase von der Universität Bielefeld mit der Durchführung der Befragung zu Akzeptanz und Ausgestaltung von G8 bzw. G9. An der Umfrage haben 54.644 Menschen teilgenommen. Dies geschah sowohl online als auch per Papierfragebogen. 88 Prozent der Onlineantworten und 79 Prozent der Postantworten sprachen sich für das neunjährige Gymnasium aus. Das ist auch eine Bestätigung der bisherigen Untersuchungsergebnisse repräsentativer Meinungsumfragen im Jahre 2014, die 76% (Forsa) bzw. 79% (Emnid für JAKO) festgestellt hatten.

Hohen Zuspruch zu G9 gab es nicht nur von den Eltern am Gymnasium, sondern auch bei Schülern, Lehrkräften an Gymnasien und an anderen Schulen, außerschulischen Lehrkräften, Grundschuleltern, ehemaligen Eltern und interessierten Mitbürgern. Mit 70 Prozent sprachen sich auch die Direktoren von Gymnasien für G9 aus und mit 96,7 Prozent die außerschulischen Lehrkräfte.

Das von der Landesregierung aufgelegte „Erleichterungsprogramm“ ändert nichts an der grundlegenden Kritik. Die strukturellen Probleme können damit nicht behoben werden. Da braucht es definitiv keine Evaluation. Es gibt keine pädagogischen Argumente, die für ein G8 sprechen.

Die Landesregierung muss jetzt auf die Menschen, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern, Lehrer und Lehrerinnen, Schulleiter und Schulleiterinnen hören und die Weiterführung des Modells G8 stoppen.

Es darf aber jetzt nicht in einem „Hau-Ruck-Verfahren“ zu einer Rückkehr zum alten Modell G9 kommen. Die Landesregierung muss jetzt ein Konzept für eine Weiterentwicklung des Gymnasiums zu einem neuen G9 erarbeiten und vorlegen. Dabei müssen alle Beteiligten mitgenommen werden. Auch denen, die mit G8 zufrieden sind, soll keine radikale Umstellung zugemutet werden. Nach der überstürzten Einführung von G9 sollten alle aus den alten Fehlern gelernt haben.

II. Der Landtag stellt fest

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen befürwortet einen neunjährigen Bildungsgang an den Gymnasien (G9).

III. Der Landtag beschließt

die Landesregierung aufzufordern ein Konzept vorzulegen, dass ausreichend Lernzeit für alle Schüler beinhaltet. Dieses Konzept muss auch am Gymnasium wieder eine 6-jährige Sekundarstufe I vorsehen. Dabei müssen alle Beteiligten mitgenommen werden.

Videomitschnitt der kompletten Debatte:

Protokoll der 1. Rede von Monika Pieper:

Monika Pieper (PIRATEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 16. April hat die Landeselternschaft der Gymnasien bekannt gegeben: 79 % der befragten Gymnasialeltern sprachen sich für das 9-jährige Gymnasium aus.

Diese Umfrage gibt uns hier und heute Anlass, ist aber nicht die Ursache, um erneut über dieses Thema zu debattieren. Wir haben den Antrag bereits am 22. April beim Präsidium eingereicht. Er ist also seit drei Wochen bekannt. Gestern erreichte uns die Nachricht, dass die Landeselternschaft über die Behandlung des Antrags hier und heute nicht glücklich ist. Das kann ich nachvollziehen, da die Landeselternschaft noch nicht entschieden hat, welche Schlüsse sie aus ihrer Umfrage ziehen wird.

Dennoch halte ich es für unerlässlich, dass der Landtag heute die öffentliche Debatte führt und auch einen Beschluss zu unserem Antrag fasst. Denn die Umfrage führt nicht zu einer neuen Situation, sondern sie bestätigt doch eigentlich die Situation, die wir hier seit zwei, drei Jahren vorfinden.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Probleme mit dem G8 bewegen die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wie kaum ein anderes Thema in der Landespolitik. Ich halte es daher für die Pflicht des Parlaments, heute eine öffentliche Debatte so zu führen, dass sie der Bedeutung der Frage für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land gerecht wird.

Ich halte es ebenfalls für notwendig, heute eine klare Position zu beziehen, wie man sich die weitere Organisation des Gymnasiums vorstellt. Jede Fraktion, die das heute möglicherweise anders sieht, hatte seit dem 22. April die Chance, einen eigenen Antrag zu stellen, über die Debatte und die Verfahren die Herrschaft zu gewinnen, Entschließungsanträge zu stellen. Nichts davon ist bis jetzt passiert.

Keine Reform in der Schulpolitik der letzten Jahrzehnte ist so unbeliebt wie das Turbo-Abi. Dies zeigen uns jetzt zum wiederholten Mal die Ergebnisse der Umfrage der Landeselternschaft der Gymnasien.

Dabei ist zunächst einmal festzustellen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen von SPD, CDU, Grüne und FDP, dass Ihre Fraktionen gemeinsam die Verantwortung für dieses Desaster tragen. Denn es ist doch absurd, die Bedeutung des Wissens für die Zukunft des Landes zu betonen und dann eine Reduzierung der Ausbildungszeit für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife als dringliche Maßnahme aufzunehmen. Bessere Bildung in weniger Zeit funktioniert einfach nicht.

Andere westdeutsche Flächenländer wie Niedersachsen und Hessen haben längst umgesteuert. Ich frage mich: Warum passiert das nicht in Nordrhein-Westfalen? Erst 100.000 Unterschriften der Bürgerinitiative, jetzt die Umfrage. Was denn bitte noch? Worauf wollen wir jetzt noch warten? Das G8 in Nordrhein-Westfalen hat keinen Rückhalt.

Es gibt keine Akzeptanz, weil das Konzept einfach nicht stimmt. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger wollen, dass auch an den Gymnasien das Abitur in der Regel im 13. Schuljahr abgelegt wird.

Unsere Position war dabei immer klar. Wir wollen den Kindern und Jugendlichen auf ihrem Weg zum Abitur auch an Gymnasien ein Jahr länger Zeit geben. Denn für uns heißt Bildung auch die Entwicklung von selbstbestimmten verantwortungsbewussten Persönlichkeiten und nicht nur die Vermittlung von möglichst viel Wissen in möglichst kurzer Zeit.

Es ist jetzt höchste Zeit, perspektivisch zu überlegen, wie man die gemachten Fehler korrigieren kann und wie sich das Gymnasium weiter entwickeln soll. Denn eins steht fest: Ein Schuljahr mehr bis zum Abitur ist für die überwiegende Mehrheit der Schülerinnen und Schüler, aber auch für unsere Gesellschaft ein Gewinn. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Protokoll der 2. Rede von Monika Pieper:

Monika Pieper (PIRATEN): Frau Präsidentin! Erstens. Auch ich habe gestern Nachmittag mit jemandem aus dem Vorstand der Landeselternschaft gesprochen. Das können wir auch.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Aha!)

Dort ist die Sache nicht halb so dramatisch wie hier „Oh, und wie furchtbar ist es, wenn wir diesen Antrag stellen!“ beschrieben worden. Sie hatten durchaus Verständnis dafür, dass unsere Interessen an dieser Stelle nicht unbedingt deckungsgleich sind. Und das wurde auch akzeptiert. In dem Telefongespräch wurde aber gesagt, man habe mit niemandem gesprochen. – Jetzt erfahre ich, offenbar doch: am Montag mit der Landesregierung.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Über das Verfahren!)

Ich will das nicht bewerten; ich nehme das zur Kenntnis.

Zu dem letzten Satz unseres Antrags, der gerade erwähnt wurde, man solle doch alle Eltern und alle Verbände mitnehmen. – Natürlich. Aber mit dem heutigen Antrag verbieten wir Ihnen ja nicht, Gespräche mit der Landeselternschaft zu führen.

(Zuruf von Eva Voigt-Küppers [SPD])

Sie können tagelang mit denen reden und auch mit denen in Urlaub fahren. Aber das hat doch nichts mit dem Antrag zu tun.

(Beifall von den PIRATEN)

Erst haben Sie gesagt, es wäre unseriös, jetzt hier darüber zu diskutieren. Dann muss ich sagen, auch die Presse in Nordrhein-Westfalen ist ziemlich unseriös. Die berichten schon seit zwei Wochen darüber. – Hm, weiß ich nicht.

Zum Zehn-Punkte-Plan: Wir haben uns nie gegen den Zehn-Punkte-Plan ausgesprochen. Der ist gut, aber nicht nur fürs Gymnasium, sondern auch für die anderen Schulformen.

Was hier passiert, ist eindeutig. Sie versuchen einfach, auf Zeit zu spielen.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie versuchen, das Thema immer weiter nach hinten zu schieben, um sich damit nicht auseinandersetzen zu müssen. Genau das tun Sie jetzt auch, indem Sie sagen: Wir debattieren gar nicht zu diesem Thema, sondern sagen: Ihr seid alle blöd, der Antrag kommt zur falschen Zeit, und ihr nehmt die Landeselternschaft nicht mit. – Da frage ich mich: Was ist denn die Landeselternschaft? Das war jetzt die Landeselternschaft der Gymnasien. Man muss also nicht so tun, als seien das alle Eltern in NRW. Denn der Wille der Eltern in NRW, der steht fest und ist durch die Umfrage klar.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

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