Freier Zugang zu Information und digitale Bildung für die Familien in NRW
Zum vorgelegten Familienbericht NRW sagt Daniel Düngel, Familienpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW:
„Familien brauchen eine Infrastruktur für eine digitale Teilhabe:
Familien brauchen einen freien Zugang zu Information und digitaler Bildung – und zwar kostenfrei. Daher fordern wir, jedem Menschen, unabhängig von seiner sozialen Herkunft, ein größtmögliches Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen.
Der freie Zugang zu Information und Bildung ist nicht nur im Hinblick auf die familienpolitische Entwicklung notwendig, sondern auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Teilhabe von Familien in unserer Gesellschaft. Digitale Bildung ist eine der wichtigsten Ressourcen der Volkswirtschaft in NRW. Nur durch den Erhalt, die Weitergabe und die Vermehrung von digitaler Bildung, kann der Fortschritt und der gesellschaftliche Wohlstand von Familien in NRW auf Dauer gesichert werden.
Wir fordern eine moderne, zukunftsorientierte Familienpolitik 4.0.“
Wortprotokoll der Rede von Daniel Düngel:
Daniel Düngel (PIRATEN) : Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Schäfer! Ich komme gleich ganz zum Schluss noch einmal dazu und werde auch ein paar persönliche Worte an Sie richten. Dem Jubelschrei, den Frau Kollegin Asch gerade ausgerufen hat, kann ich mich natürlich nicht ganz anschließen. Ich bin mir auch unsicher, ob für eine scheidende Familienministerin der Familienbericht, also sozusagen Familienpolitik in der Retrospektive, die richtige Themenwahl ist, weil es ja tatsächlich sehr viele kritische Punkte gibt, die auch ganz klar aus diesem Familienbericht hervorgehen.
Wir ziehen also heute Bilanz Ihres familienpolitischen Wirkens im Land. Frau Ministerpräsidentin Kraft hat für Ihren Bereich den Wahlkampf eingeläutet. Das Ministerium wird verjüngt. Die digitale Revolution zieht ins Familienministerium ein – so hoffen wir Piraten jedenfalls.
(Zuruf von den PIRATEN: Mal sehen!)
Wie weit Frau Kampmann als Fachfremde in Sachen Familienpolitik allerdings wirklich Zeichen setzen kann, bleibt abzuwarten. Baustellen, um notwendige Zeichen zu setzen, gibt es jedenfalls genug. „Familien gestalten Zukunft“ ist der Titel des Familienberichts. Mich bewegt seit Tagen die Frage: Warum jetzt, warum erst jetzt, warum 20 Jahre zu spät? Sie haben es eben selbst erwähnt, Frau Ministerin: Das ist nach 25 Jahren der zweite Familienbericht in Nordrhein – Westfalen. Sie selbst haben diesen Verantwortungsbereich fünf Jahre lang geleitet. Das ist sicherlich ein Zeitraum, nach dem es dann auch angemessen ist, in einem solchen Familienbericht zurückzuschauen und einen Ausblick nach vorne zu wagen. Ich glaube aber, dass wir uns in diesem Haus einig sind, dass da in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine Menge liegen geblieben ist.
In Ihrer Partei dauerte dieser Prozess 20 Jahre. Innerhalb der SPD ist das möglicherweise sogar relativ schnell. Schließlich hat sie in der Vergangenheit auch einen Kanzler gestellt, der Familienpolitik als „Gedöns“ bezeichnet hat. Insofern kann ich schon nachvollziehen, dass es in Ihrer Partei vielleicht ein bisschen länger dauert, der Familienpolitik einen gewissen Stellenwert zu geben. Schauen wir auf Nordrhein-Westfalen. In Nordrhein-Westfalen lebt heute schon jedes dritte Kind unterhalb der Armutsgrenze. Wie Frau Schulze Föcking zu Beginn schon ausgeführt hat, haben wir große Herausforderungen, die die aktuelle Flüchtlingssituation mit sich bringt. Wir sehen gerade im Familienministerium wenige Vorbereitungen, was die frühkindliche Bildung für Flüchtlingskinder angeht. Auch diese Familien, die in den letzten Wochen und Monaten zu uns gekommen sind und auch in der nächsten Zeit zu uns kommen werden, sind Familien in Nordrhein-Westfalen. „Refugees welcome“ haben wir schon mehrfach gesagt. Dazu werden wir beim nächsten Tagesordnungspunkt sicherlich auch noch einiges hören. Erlauben Sie mir an dieser Stelleden Satz: Auch wenn oder gerade weil es große Herausforderungen sind, denen wir dort entgegensehen, ist es wichtig, in dieser Zeit immer und an jeder Stelle Zeichen gegen Wutbürger, gegen sogenannte besorgte Bürger und gegen Nazis zu setzen und sich ihnen entgegenzustellen.
(Beifall von den PIRATEN)
Zurück zum Familienbericht: Es sind jetzt Investitionen für Menschen, vor allem in Bildung und Wohnraum, vordringlich und notwendig. Beitragsfreie Bildung im Elementarbereich darf nicht von haushalterischen Freiräumen abhängig sein. So steht es im Familienbericht. Wenn das näml ich Voraussetzung ist, ist es nicht weit her mit dem familienpolitischen Ziel der regierungstragenden Fraktionen: Bildung beitragsfrei – in der Kita, in der Schule, an der Uni, überall.
Herr Hafke hatte eben die Kindpauschalen angesprochen. Zur Wahrheit ge hört natürlich nicht nur, dass die jetzige Landesregierung das vier, fünf Jahre lang liegen gelassen und das Gesetz ignoriert hat, sondern auch, dass schon bei der Verabschiedung des Kinderbildungsgesetzes allen Beteiligten klar war, dass diese Kindpauschale nicht ausreichen wird. Das muss man fairerweise dazusagen. Herr Hafke hat außerdem angesprochen, dass im Familienbericht auch steht, Familienpolitik sei wissenschaftsbasiert geworden. Wir haben uns erst in der letzten Ausschusssitzung im Rahmen der Aussprache über eine Große Anfrage der FDP-Fraktion und auch im Plenum darüber unterhalten. Das meiste, was man bei den Antworten auf die Große Anfrage gesehen hat, war, dass nur wenige familienpolitische Leistungen tatsächlich wissenschaftlich evaluiert werden. Da widerspricht sich etwas. Da müssen Sie in Zukunft noch eine ganze Menge tun.
Sie bleiben den Menschen in diesem Land eine wirklich zukunftsfähige Familienpolitik schuldig. Die Frage bleibt: Werden die notwendigen Schritte für Familie 4.0 eingeleitet? Der Familienbericht scheint nicht wegweisend für eine gute Zukunft bei der laufenden digitalen Revolution zu sein. Ich möchte die verbleibende Zeit für einen Blick nach vorne nutzen. Wie werden Familien in Zukunft leben und arbeiten? Wie bereiten wir Fami lienpolitik auf das digitale Zeitalter vor? Ich zitiere: „Die technologische Entwicklung ermöglicht es, dass nicht mehr jede monotone, wenig sinnstiftende oder sogar gefährliche Aufgabe von Menschenhand erledigt werden muss. Wir sehen dies als großen Forts chritt, den wir begrüßen und weiter vorantreiben wollen. Daher betrachten wir das Streben nach absoluter Vollbeschäftigung als weder zeitgemäß noch sozial wünschenswert. Stattdessen wollen wir uns dafür einsetzen, dass alle Men- schen gerecht am Gesamtwohlst and beteiligt werden und werden dazu die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens prüfen.“Piraten-Grundsatzprogramm! Die digitale Revolution verlangt mehr als nur eine neue Zeitpolitik, wie sie auf Bundesebene bereits im Siebten und Achten Familienbericht der Bundesregierung als Erkenntnisgewinn vorliegt. Es braucht mehr als eine neue Zeitpolitik, in der das Flächenland Nordrhein-Westfalen irgendwie als Pilotprojekt herhalten muss. Zeitpolitik ist vor allem auch Folgendes: zum Ersten Finanzpolitik, zum Zweiten Arbeitsmarktpolitik und zum Dritten Sozialpolitik. Zeit alleine ist eine endliche Ressource. Davon haben wir 24 Stunden. Das ist in Ergänzung mit den weiteren politischen Feldern zu sehen. Der Doppelverdienerfamilie im Schichtbetrieb ist nicht damit geholfen, dass sie ausreichend Geld hat, wenn dann keine Zeit für Familie da ist. So ist auch der Hartz-IV-Familie nicht geholfen, wenn sie zwar die Zeit, aber nicht das Geld zur Verfügung hat, um vielleicht gemeinsam in den Zoo zu gehen oder um auch nur die Fahrt mit Bus und Bahn zu finanzieren. Wir müssen Visionen erarbeiten und über den Tellerrand denken. Wir müssen Familien die benötigte Infrastruktur für eine digitale Teilhabe bereitstellen. Familien muss in Nordrhein-Westfalen sofort das Recht auf freien Zugang zu Informationen und kostenfreier digitaler Bildung gewährleistet werden. Wir fordern, jedem Menschen unabhängig von seiner sozialen Herkunft ein größtmögliches Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen.
(Beifall von den PIRATEN)
Die Bereitstellung einer familienfreundlichen Infrastruktur befreit Familien aus dem geschilderten Ökonomisierungsdruck. Last, but not least trennen uns bei der Definition von „Familie“ immer noch Welten. Piratige Familienpolitik findet in diesem Ministeri um nicht statt. Das zeigt der Familienbericht schon auf den ersten Seiten. Da ist weder von Queer-noch von Regenbogenfamilien die Rede. Das ist erst wesentlich später und auch viel, viel, viel zu wenig der Fall. Daten und Fakten liegen in vielen Bereichen nicht vor. Es wäre vielleicht auch Aufgabe des Ministeriums gewesen, weiter zu erforschen, was dort möglich ist. Für uns bleibt festzuhalten: Alle Formen des Zusammenlebens sind gleichberechtigt. Familie ist nicht nur da, wo Kinder sind, sondern dort, wo Menschen füreinander sorgen und Verantwortung übernehmen. Lassen Sie die vergangenheitsbezogene Familienpolitik dort, wo sie hingehört. Treten Sie mit uns Piraten in eine moderne, zukunftsorientierte Familienpolitik.
Auch wenn die Redezeit abgelaufen ist, Frau Präsidentin, möchte ich gern am Ende noch eine persönliche Bemerkung loswerden. Frau Ministerin Schäfer, auch wenn in Ihrem Ministerium in vielen Belangen wie Transparenz und digitale Revolution nicht so gearbeitet wird, wie wir Piraten uns das vorstellen, möchte ich mich aber selbstverständlich für die durchweg freundliche und vor allem zwischenmenschlich sehr bereichernde Zusammenarbeit bedanken. Ihnen persönlich wünsche ich alles Gute für Ihren weiteren Lebensweg. Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)