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Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Kraft,

am vergangenen Donnerstag gab es im Landtag in NRW eine denkwürdige Aktuelle Stunde. Es ging vor allem um das parteipolitische Hickhack innerhalb der SPD zur Frage der Vorratsdatenspeicherung. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Sie sich als Regierungschefin des Landes NRW zur so wichtigen Frage, ob in Deutschland massenhaft und anlasslos Kommunikationsdaten der Bürger gespeichert werden dürfen, noch nicht öffentlich geäußert. Und sie taten es auch letzte Woche nicht, obschon von der Opposition dazu aufgefordert.

Aus offenbar betroffenen Kreisen der SPD sickern in Zusammenhang mit der Entscheidung der SPD zur Vorratsdatenspeicherung seit dem Parteikonvent der SPD am vorletzten Wochenende verschiedene Äußerungen von Augen- bzw. Ohrenzeugen. Man könnte diese Menschen auch als „Whistleblower“ bezeichnen; Menschen, die u.a. von der Vorratsdatenspeicherung negativ betroffen wären. Mit einigen dieser Äußerungen konfrontierte ich Sie für meine Fraktion im Rahmen der Aktuellen Stunde.

Auf dem Konvent und im Vorfeld desselben sollen Parteigrößen der SPD auf erklärte Gegner der Vorratsdatenspeicherung Druck ausgeübt haben um die Abstimmung Richtung GroKo-Linie zu beeinflussen. Auch Sie waren dort.

Auf die zahlreichen an Sie im Plenum gerichteten Fragen, die allesamt keine Zitate waren, sondern Teile dessen, was Sie gesagt haben sollen – in der Tat Hörensagen von eben jenen Whistleblowern – haben Sie nicht geantwortet, Frau Ministerpräsidentin; weder dementierend, noch bestätigend. Stattdessen haben Sie uns Piraten Demokratieverständnis abgesprochen. In diesem Kontext aus meiner persönlichen Sicht einigermaßen befremdlich, denn – mit Verlaub – statt Souveränität, Wahrheit und Klarheit hörten wir etwas von „Hörensagen“, von „Gerüchten“, von „Twittersplittern“ und etwas von einem neuen Grundrecht. Hört! Hört!

Vom Grundrecht auf „Vernünftig-Zitiert-Werden“.

Frau Ministerpräsidentin, auch wenn es keine „Zitate“ im eigentlichen Sinne waren, hätten Sie die Gelegenheit gehabt, wenigstens zu dementieren. Fehlanzeige!

Aber ich zitiere mal vernünftig Tobias Blasius, dessen Artikel identisch online bei „Der Westen“ und als Print von der WAZ veröffentlicht ist und der Ihnen auch aus der Presseschau des Landtags NRW vom 26. Juni bekannt sein dürfte:

1) „Vor Zeugen soll sie dem jungen Medienpolitiker Alexander Vogt aus Herne lautstark gedroht haben, so lange sie etwas in NRW zu sagen habe, könne er nichts mehr werden.“

2) „Gegenüber der Ratinger Abgeordneten Müller-Witt soll Kraft geäußert haben, sie beschäftige sich im Sommer mit einigen Personalien, „und du stehst nicht auf der Liste“.“

3) „Der Detmolder Dennis Maelzer, ebenfalls Gegner der Vorratsdatenspeicherung, hat offenbar nach einem Einzelgespräch mit Kraft seine Meinung geändert und für den Antrag des SPD-Vorstands gestimmt.“

Auch in der SPD-Fraktion im Übrigen soll über die „politische Einzelbeatmung“ gelinde gesagt Irritation herrschen und sollte im Vorfeld des Plenums im Landtag keine weitere Thematisierung innerhalb der SPD-Fraktion erfolgen … liest man in der WAZ weiter!

Frau Ministerpräsidentin und nun zitiere ich vernünftigerweise nochmal Sie … aus der Debatte über die Aktuelle Stunde:


„Sie können sich hier nicht auf der einen Seite als die Retter der Demokratie und der Grundrechte hinstellen und auf der anderen Seite gleichzeitig die Grundrechte anderer, nämlich darauf, vernünftig zitiert zu werden und dass die Wahrheit transportiert wird, missachten! Das war mir wichtig zu sagen, denn auch das gehört zu einer Demokratie!“

Sie haben Recht, Frau Kraft. Die Piraten – wenn auch nicht wir alleine, sondern gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und anderen Parteien und Organisationen – sind möglicherweise Bewahrer von Demokratie und der Grundrechte in Hinblick auf die Vorratsdatenspeicherung, sofern ihre Einführung verhindert wird, wofür wir Piraten einstehen. Und in der Vorratsdatenspeicherungsfrage sind wir jedenfalls Mahner im Interesse der Menschen in unserem Land und damit zugleich im Interesse der Demokratie und der Grundrechte. Was den Transport von Wahrheit angeht, so dürfen wir, darf ich doch auf Sie zählen?!

Wir könnten die Beispiele zu unserem Demokratieverständnis durch ein aktuelles erweitern: So sind wir bekanntlich gegen die Einführung von Sperrklauseln auf kommunaler Ebene; auch gegen diejenige, welche Rot-Grün in NRW aktuell einfordert. Grund: Es gibt eben jene gesellschaftlichen kleinen Gruppen, deren Stimme in den Räten und auch in Parlamenten notwendig sind. Offenbar sind sie zuweilen auch entscheidend, Frau Kraft – und da spreche ich Sie als Landesvorsitzende der SPD an, die vielleicht manchmal aus Ihrem Büro in der Staatskanzlei in Richtung Köln blickt.

Nun ja, Frau Ministerpräsidentin, uns fechten Ihre Vorwürfe nicht an, wissen wir doch, wo wir als Fraktion und unsere Partei insgesamt in der Debatte über die Vorratsdatenspeicherung stehen. Da Sie sich als Regierungschefin und zugleich Mitglied der Landtagsfraktion der SPD leider immer noch nicht zur Vorratsdatenspeicherung geäußert haben, fordere ich Sie auf und gebe Ihnen Gelegenheit, im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit mir oder einem anderen Vertreter meiner Fraktion die Debatte aufzuarbeiten und vor allem das Für und Wider der Vorratsdatenspeicherung noch vor Ende der Sommerpause öffentlich zu diskutieren.

Deal, Frau Ministerpräsidentin?

GLÜCK AUF!

Mit freundlichen Grüßen

Dietmar Schulz

Piratenfraktion im Landtag NRW
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender

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