Donnerstag, 30. April 2015
Top 10. Überwachungsmonster PKW-Maut stoppen und nicht auf Kosten der Freiheit durchsetzen
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8447
Frank Herrmann, Sprecher der Piratenfraktion im Innenausschuss:
„Die PKW-Maut ist ein Zwangs-Fahrtenbuch für Autofahrer und das Ende des überwachungsfreien Autoverkehrs. ´Freie Fahrt für freie Bürger´ gibt es dann nicht mehr, denn an jeder Mautbrücke wird fotografiert und geprüft, ob die Maut auch bezahlt ist.
Aber es geht niemanden etwas an, wen man besucht oder zu welchem Termin man gerade fährt. Das Mautgesetz muss gestoppt werden, weil es die Privatsphäre nicht schützt.“
direkte Abstimmung
Unser Redner: Frank Herrmann
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung
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Protokoll der Rede von Frank Herrmann
Frank Herrmann (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, ein weiteres Dobrindt-Thema; das ist richtig.
Mit unserem Antrag zur Pkw-Maut möchten wir nämlich die Landesregierung auffordern, sich für einen Einspruch des Bundesrats gegen das Maut-Gesetz einzusetzen. Erfreulicherweise gibt es aber aktuell schon eine Beschlussvorlage im Bundesrat, die besagt, in der kommenden Sitzung am Freitag nächster Woche den Vermittlungsausschuss anzurufen, wenn auch aus anderen Gründen als aus den hier von uns thematisierten. Im Ergebnis soll uns das jedoch recht sein. Unser Antrag wird deswegen allerdings nicht überflüssig.
Die Maut ist nicht die Lösung für ein Problem, sondern eine Wahlkampfidee von einem bayerischen Stammtisch. Wir als Landesparlament, verehrte Damen und Herren, können leider die Maut nicht verhindern. Wir sollten und müssen aber unser Möglichstes tun, um die Art der Umsetzung zu ändern.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich will Ihnen auch sagen, warum.
Erstens. Das vorgeschlagene System ist sehr teuer. Die prognostizierten Einnahmen von ausländischen Pkw decken gerade einmal die erwarteten Betriebskosten der Pkw-Maut. Der Betrieb der Lkw-Maut hat bereits mehr als 7 Milliarden € gekostet. Diese Mittel fehlen für die Instandhaltung der Straßeninfrastruktur. Damit ist das System mehr ein Subventionsprogramm für die Betreiber Telekom und Daimler-Benz.
Zweitens. Nicht nur, dass es ineffizient und teuer ist das vorgeschlagene System ist auch höchst fehleranfällig. Das System soll alle Fahrzeuge auf Autobahnen und besonderen Bundesstraßen fotografieren, die erkannten Nummernschilder dann mit einem Register der Mautzahler abgleichen und die so erfassten Daten für eine mögliche Rückerstattung der Gebühren abspeichern.
Aber laut Bundesregierung als Antwort auf eine Kleine Anfrage wird aktuell eines von 14 Fahrzeugen falsch erkannt. Das muss man sich einmal vorstellen. Wer kommt denn auf die Idee, ein System mit einer solch hohen Fehlerrate für die Bemautung von 44 Millionen Pkw in Deutschland einzuführen? Dass dies eine Prozesslawine bei den Verwaltungsgerichten über die Rückerstattung auslösen wird, das sollte offensichtlich sein.
Doch leider spielte die Systemfrage bei den Diskussionen in Berlin kaum eine Rolle. Im Gegenteil: Zwei Tage vor der Schlussabstimmung im Bundestag wurde im Verkehrsausschuss noch die Möglichkeit der Übertragung des kompletten Mautbetriebs an einen privaten Betreiber ins Gesetz geschrieben, eine Lex Toll Collect. Weitere Milliarden Euro werden dann nicht für die Straßeninfrastruktur zur Verfügung stehen.
Drittens das ist für uns der wichtigste Punkt : Es wurde in keiner Weise das Prinzip „Privacy by Design Datenschutz von Anfang an“ in der Wahl des Systems oder in dessen Definition berücksichtigt. Durch das Erfassen und Speichern von Autofahrten, wer wann wohin fährt, wird tief in die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. So lassen sich Bewegungsprofile erstellen und viele Rückschlüsse auf andere private Lebensumstände ziehen.
Aber ich möchte hier nicht über die Überwachung reden, sondern über die Nachlässigkeit und Ignoranz gegenüber den Autofahrerinnen und Autofahrern und ihrem Recht auf Privatheit. Features des Lkw-Mautsystems wie Nachrichtenübermittlung seitens der Spedition an den Fahrer, Echtzeitpositionierung und Flottensteuerung von der Firmenzentrale aus, ständige Geschwindigkeitskontrolle, letztlich eine eingebaute Section Control all das ist für die Pkw-Maut weder sinnvoll noch erstrebenswert, zumindest wenn man private Autofahrten ohne Überwachung machen möchte.
Es gibt zahlreiche innovative und neue Technologien, die sehr datenschutzfreundlich sind. Sogenannte PETs, Privacy Enhancing Technologies, zeigen die Möglichkeiten auf. Um gegenüber einer Messstelle nachzuweisen, dass man die Mautgebühr bezahlt hat, sind keinerlei personenbezogene Daten notwendig. Die Informatiker unter Ihnen kennen Zero-Knowledge-Proofs, einen sicheren Nachweis ohne die Preisgabe von privaten Informationen.
All dies ist zu technisch für diesen Antrag heute, soll aber demonstrieren, dass eben keinerlei Initiativen zum Privatheitsschutz im Zuge der Mautdebatte erfolgt sind, die aber dringend notwendig sind.
Hier liegt die Chance für Nordrhein-Westfalen, einen konstruktiven Änderungsvorschlag im Bundesrat zu machen. Für Sicherheit und Privatheit in der vernetzten Welt braucht es Forschung, Entwicklung und Innovationen. Und die 1.000 Sicherheitsforscher, die sich Frau Ministerpräsidentin Kraft in ihrer Regierungserklärung gewünscht hat, brauchen interessante Aufgaben.
Eine innovative und grundrechtsfreundliche Forderung für den Privatheitsschutz im Mautsystem würde dem Land Nordrhein-Westfalen als Innovationsmotor im Rahmen von NRW 4.0 deutlich besser zu Gesicht stehen, als das Mautgesetz in der jetzigen Form mitzutragen.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag, um der Landesregierung genau diese Aufgabe für den Bundesrat mit auf den Weg zu geben. Herzlichen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Sebastian
Tolle Rede, hoffentlich bewirkt sie was.