Heute stand die Anhörung zu Open-Access auf dem Programm im Landtag NRW.
Die Sachverständigen haben die Dramatik, in der wir uns befinden, klar und deutlich herausgestellt: Ohne offene Ohren für das wichtige Thema Open-Access steuert NRW direkt ins wissenschaftliche Abseits. Die Landesregierung muss nach der heutigen Anhörung umgehend die Informationsversorgung der Wissenschaft und Bevölkerung ausweiten, beschleunigen und sichern. Sollte die Landesregierung auch die letzte Chance verpassen, auf den rollenden Open-Access-Zug aufzuspringen, der u. a. in Dänemark, Großbritannien und der Schweiz bereits mit Höchstgeschwindigkeit fährt, drohen in NRW weitere Nachteile. Im innerdeutschen Vergleich, etwa mit Berlin und Baden-Württemberg, haben wir lediglich einen Platz auf dem Abstellgleis. Die letzte Landesinitiative liegt bereits über ein Jahrzehnt zurück.
Open Access entspricht dem Grundgedanken einer offenen und freien Wissensgesellschaft. Nur mit Open-Access können wir garantieren, keine Fortbildungs-Potenziale zu verschenken. Wir begrüßen die Idee, arbeitslosen Akademikern die Weiterbildung über den kostenfreien Zugang zur Fachlektüre zu gewähren. Ein anderes einleuchtendes Beispiel ist ein Arzt, der den dauerhaften Zugriff auf aktuelle Studien und zielgenaue Informationen für seine Patienten erhalten könnte. In der heutigen Praxis erhält ein Arzt nur Zugriff auf einen Bruchteil der vorhandenen Forschungsinformationen und -daten. Ein Großteil verschwindet in exklusiven Lizenzpaketen, die wenige Verlage zu überteuerten Preisen an die Fachbibliotheken verkaufen, obwohl die Forscher und Autoren höchstens marginal an Einnahmen beteiligt sind. Es entstehen künstliche Barrieren, die nur wenigen exklusiven Nutzern den Zugriff gewähren. Der Arzt bräuchte Hunderte teurer Abos.
Die ursächlichen, monopolartigen Verlagsstrukturen müssen daher aufgebrochen werden. Dazu setzen wir auf eine Beschleunigung der Informationsversorgung hin zu einer freien und digitalen Verfügbarkeit. Um rechtliche und technische Hürden abzubauen, muss die Landesregierung Forschungsinformationssysteme fördern und Publikationsfonds aufbauen und absichern. Zudem ist eine bessere Vernetzung der Hochschulen notwendig. Wir finden es besonders unverständlich, dass die Landesregierung bisher nicht aktiv den Dialog mit den Fachleuten aus der Open-Access-Bewegung und aus der wissenschaftlichen Praxis gesucht hat.
Eine Konsequenz der Anhörung ist für uns eine Verankerung des Zweitveröffentlichungsrechts an Hochschulen. Bestimmte Publikationen müssen zwingend frei zugänglich sein, auch wenn dieses Vorhaben für manche in einem besonderen Spannungsverhältnis zur Wissenschaftsfreiheit steht. Da kommerzielle Anbieter keine dauerhafte Garantie für die digitale Verfügbarkeit bieten, hat für uns die Nachvollziehbarkeit von Wissenschaft mit Argumentations- und Zitationsketten oberste Priorität. Auch im digitalen Zeitalter dürfen diese nicht auseinanderreißen. Die politische Aufgabe besteht in der Sicherung der Informationsversorgung, nicht in der Maximierung von Umsatzrenditen einiger weniger internationaler Verlage, die zwischen 20 und 30 Prozent Gewinnmargen erzielen. Die Wissensschätze, die wir heute mit einem Mausklick bergen können, sollen in Zukunft für möglichst viele Menschen dauerhaft verfügbar sein. Unsere Anhörung ist ein erster Schritt dazu. Nun ist die Landesregierung am Zuge.
Wir haben die Anhörung zum Thema Open-Access beantragt, weil sie den Wert interdisziplinärer Arbeit schätzen, die eine Kultur des Wissensaustausches voraussetzt. Wir verstehen nicht, wieso die Vorteile der Digitalisierung ausgerechnet in der Wissenschaft durch technische und rechtliche Hürden (wie dem Urheberrecht) beschränkt werden. Unter dem Aspekt der Wissenschaftskommunikation gehen wir davon aus, dass sowohl eine erhöhte Partizipation als auch eine bessere Qualitätskontrolle durch Open Access möglich sind.
Hintergrund:
Berlin hat sich in diesem Jahr auf eine Förderung von Publikationsfonds geeinigt. Baden-Württemberg hat ebenfalls in diesem Jahr eine Verankerung ins das Hochschulgesetz vorgenommen. In NRW überwiegen wie so oft die Bedenken. Im Gesetzgebungsprozess zum Hochschulzukunftsgesetz NRW fiel auf, dass den Bedenken der Verlage noch vor der heutigen Anhörung Folge geleistet wurde. Ein frischer Impuls für das Wissenschaftssystem wurde somit frühzeitig willentlich von der Landesregierung verworfen. Währenddessen fördert die Schweiz Open-Access massiv über den Schweizer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) und Großbritannien hat das Ziel ab 2016 zu 100 Prozent auf OA-Publikationsverfahren umzustellen.
Joachim Paul MdL
Oliver Bayer MdL
Die Stellungnahmen:
Prof. Dr. Eric Steinhauer, Universitätsbibliothek der FernUniversität in Hagen | Prof. Dr. Gabriele Beger, Staats- und Universitätsbibliothek |
Deutsche Forschungsgemeinschaft, Geschäftsstelle Bonn | Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Regionalgeschäftsstelle NRW |
Open Knowledge Foundation Deutschland e. V., Berlin | Wikimedia DeutschlandGesellschaft zur Förderung Freien Wissens e. V. |
Deutscher Hochschulverband, Landesverband NRW | Institut für Arbeit und Technik, Frau Dr. Karin Weishaupt |
Heinz Pampel, Helmholtz Open Access Projekt / Helmholtz-Gemeinschaft | Prof. Dr. Rainer Kuhlen |