Donnerstag, 11. September 2014
Top 10. Etikettenschwindel „Digitale Agenda“: Die deutsche Bundesregierung ist noch immer nicht im digitalen Zeitalter angekommen!
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Ausschussüberweisung
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Videomitschnitt der kompletten Debatte (Rede von Lukas Lamla ab 0:34 Min)
Protokoll der Rede von Lukas Lamla
Vizepräsident Oliver Keymis: Gut. Herr Kollege Lamla hat das Wort. Anstelle von Herrn Dr. Paul begründet Herr Lamla den Antrag. Bitte schön.
Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank für Ihre Spontanität. Ich hoffe, Sie sind bereit und angeschnallt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Auch 25 Jahre …
(Zuruf von der CDU)
Bitte in den Reihen der CDU ganz ruhig sein! Ich weiß, die Digitale Agenda ist für Sie alle ein bisschen fremd. Aber wir nähern uns dem Thema. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, sagte wer, liebe Mitglieder der CDU?
(Zuruf von der CDU: Wer zu schnell twittert, hat auch ein Problem! Allgemeine Heiterkeit)
Genau, richtig. Diese Einsicht gilt heute, 25 Jahre nach Gorbatschows Worten vor einem vergreisten Ostberliner Politbüro, nicht weniger als 1989. Die Welt des beginnenden 21. Jahrhunderts wird immer mehr vom technologischen Fortschritt beherrscht. Das Internet, das bei der Übertragung nahezu Lichtgeschwindigkeit erreicht, ist dabei eine treibende Kraft. Wir stehen in Deutschland auch in NRW mitten in diesem Wandel. Aber wie stehen wir eigentlich da? Eine Antwort darauf gibt schon allein die Tatsache, dass sich die Bundesregierung erst im August dieses Jahres dieser Zukunftsaufgabe systematisch gestellt und sich damit erstmalig an einer sogenannten Digitalen Agenda versucht hat.
Aber kann es überhaupt gelingen, wenn sich eine Große Koalition, die sich vorrangig auf den Erhalt des Status quo konzentriert, an das ich betone: das elementare Zukunftsthema schlechthin wagt? Das konnte wohl nicht wirklich gutgehen, und das ist nicht allein unser Fazit. Es spiegelt die allgemeine Enttäuschung von Verbänden und netzpolitischen Akteuren wider. Die „ZEIT“ hat treffend formuliert, das Papier bestehe aus 38 Seiten Angst vor festen Zusagen. Ich sage Ihnen: Recht hat sie.
Um es kurz zu machen: Die von der Bundesregierung vorgelegte Digitale Agenda ist das Ergebnis einer Kombination aus Mut und Ahnungslosigkeit.
(Beifall von den PIRATEN)
Das wäre nicht weiter schlimm, wenn die Taktik funktionieren würde: einfach den Kopf in den Sand stecken, ein bisschen warten und vielleicht noch ein bisschen länger warten; denn vielleicht zieht der digitale Strukturwandel an uns vorbei. Aber das tut er nicht. Das funktioniert einfach nicht. Wir sind inmitten einer digitalen Revolution, und das spüren die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen in NRW. Wie wollen Sie den Leuten erklären, dass unsere durchschnittliche Internetbandbreite langsamer ist als in Rumänien oder Russland und dass die Breitbandförderung anscheinend aus den 90er-Jahren stammt? Denn sie ist konzipiert für Orte mit einer Versorgung unter 2 Mbit/s. Die gibt es in NRW eigentlich auch gar nicht. Die Große Koalition hat dazu nur Absichtserklärungen. Schlimmer als diese Tatsache ist aber vermutlich die Perspektive, die dabei zum Vorschein kommt. Für die Große Koalition scheint das Internet nur aus Kunden, Unternehmen und den Leitungen dazwischen zu bestehen. Das ist für uns Piraten aber viel zu kurz gesprungen.
(Beifall von den PIRATEN)
Denn inmitten des digitalen Wandels und der digitalen Welt steht für uns der Mensch im Mittelpunkt. Wie können die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger gewahrt werden angesichts der Datensammelwut von Geheimdiensten und internationalen Konzernen? Wie können wir sicherstellen, dass alle Menschen wirklich alle an der Wissens- und Informationsgesellschaft teilhaben können und ihre Chancen darin nutzen? Das sind die Fragen, die eine echte Digitale Agenda beantworten muss.
Was bedeutet das für jeden von uns, für das Ich und für das Wir, dass eine totale Vermessung von Individuum und Gesellschaft durch maschinelle Intelligenz in den Bereich des technisch Machbaren rückt? Wie gehen wir verantwortungsbewusst damit um, meine Damen und Herren? Das sind Fragen, die eine echte Digitale Agenda beantworten müsste. Das tut sie aber nicht. Wir brauchen also konkrete politische Lösungen.
Die „Westdeutsche Zeitung“ hat vor zwei Tagen die Frage gestellt: Digitalboom Fluch oder Segen? Wir sagen: Die Antwort darauf hängt von den Weichenstellungen einer zutiefst demokratischen Gesellschaft ab. Die Piraten wollen, dass das digitale Zeitalter aktiv gestaltet wird. Dazu haben wir sieben Forderungen in unserem Antrag aufgestellt, an denen sich eine digitale Agenda zu orientieren hat, die diesen Namen auch wirklich verdient hat.
Wir Piraten laden Sie, meine Damen und Herren, recht herzlich dazu ein, mit uns zusammen an einer zukunftsweisenden Agenda zu arbeiten. So können wir Nordrhein-Westfalen als das digitale Spitzenland positionieren und einen starken Impuls nach Berlin senden. Diese Einladung das glauben Sie mir kommt von Herzen. Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lamla. Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Vogt das Wort.