Mittwoch, 27. November 2013
Rede im Rahmen der Haushaltsdebatte 2013
Schulsozialarbeit in NRW sicherstellen
Unser Antrag will die garantierte Weiterfinanzierung der Schulsozialarbeit in NRW für die Zukunft gewährleisten, und zwar unabhängig von der Finanzierung durch den Bund. Mit Blick auf die steigende soziale Ungerechtigkeit an den Schulen brauchen Eltern, Lehrer und Kinder Kontinuität. Auch die Herausforderungen von Inklusion und Ganztagsschulen lassen sich ohne die Weiterführung der Schulsozialarbeit nicht bewältigen.
Olaf Wegner, Sozialpolitischer Sprecher:
„Mir läuft es kalt den Rücken runter, bei allem, was die SPD den Schulsozialarbeitern, Kommunen, Eltern und Kindern durch den Koalitionsvertrag zumutet. Das ist eine Bankrotterklärung der Politik. Alle Fraktionen sind sich in der Sache einig, dass die Schulsozialarbeiter einen wichtigen Job erledigen. Die Arbeit der Schulsozialarbeiter hat sich bewährt und muss jetzt endlich verbindlich geregelt werden. Das Argument, NRW habe kein Geld für die Schulsozialarbeit, ist schlichtweg falsch. Das Programm Schulsozialarbeit ist das Erfolgsmodell, um zukünftige Generationen vor vermeidbaren Kosten zu schützen.“
Audiomitschnitt der Rede von Olaf Wegner als Download
Protokoll der Rede von Olaf Wegner:
In meiner vorherigen Rede habe ich mich hier als Verfassungsfundamentalist geoutet. Nun denke ich, dass diese Regierung mich in echte Paranoia treiben will.
(Zuruf von Günter Garbrecht [SPD])
Ich werde hier noch zum professionellen Neinsager, obwohl ich viel lieber konstruktiv an Lösungen beteiligt wäre. Doch wie soll ich die Position der Regierung zur Schulsozialarbeit anders wahrnehmen, denn als sozialpolitische Bankrotterklärung?
Alle Fraktionen sind sich doch in der Sache einig: dass Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter einen immanent wichtigen Job erledigen und dass dieses Programm ein geradezu überraschendes Erfolgsmodell ist – einer der wenigen Erfolge, die im Zuge des Bildungs- und Teilhabepakets erzielt werden konnten.
Sind wir da noch immer im selben Boot, Herr Minister Schneider?
Sie hatten offensichtlich kein glückliches Händchen im Ringen um die Finanzierung des Bundes bei den Koalitionsverhandlungen. Verdienen Sie dafür unser Mitgefühl? Haben Sie denn gerungen, oder haben Sie dieses Budget auf dem Altar der Machterhaltung Ihrer Parteikollegen in Berlin geopfert?
(Minister Guntram Schneider: Ach du lieber Gott! Mir kommen die Tränen!)
Haben wir immer noch Konsens darüber, dass dieses Modell als eines unserer Erfolgsmodelle weiterhin Priorität genießt? Ich zweifle daran.
Im Ausschuss habe ich mir gewünscht, gemeinsam darüber nachzudenken, wie die sinnvolle und nützliche Schulsozialarbeit trotz der allfälligen Budgetbeschränkung am Leben bleiben kann. Doch leider musste ich mir von Ihnen anhören, dass Sie sich von den Piraten nicht die Bedeutung der Arbeit der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter erklären lassen müssen. Ein bisschen kam ich mir da vor wie ein Deppenschüler zur vorvorherigen Jahrhundertwende, der kurz davor steht, von seinem Oberschullehrer die Eselsmaske aufgesetzt zu bekommen. Das kam bei mir nicht besonders wertschätzend an, Herr Minister Schneider.
Ich wünsche mir konstruktives, gemeinsames Pläneschmieden über alle Fraktionsgrenzen hinweg – gerade dann, wenn man ein Erfolgsmodell hat, das alle gut und richtig finden. Aber jetzt stehe ich da und muss meine Energie wieder einmal in den parlamentarischen Ritus des gegenseitigen Schuldzuweisens stecken. Wann kommt endlich der Moment, in dem wir uns darauf verlassen können, dass eine gemeinsame positive Bewertung von Projekten auch zu konsequentem, gemeinsamem Handeln führt? Ich wäre der glücklichste kleine Olaf weit und breit, wenn Sie mir diese politische Verlässlichkeit unter den Weihnachtsbaum legen könnten.
(Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN)
Denn im Grunde genommen sehne ich mich nach Kooperation und Konsistenz.
(Zurufe von der SPD: Oh!)
Doch nun zurück zum parlamentarischen Ritus! Wenn man zwischen den verbalen Luftnummern und dem konkreten Handeln in dieser Frage unterscheidet und wenn man lediglich die Fakten analysiert, gibt es nur eine Erklärung: Die Budgetierungsprioritäten wurden klammheimlich geändert. Und Sie wünschen sich nun nichts sehnlicher, als dass alle nicken und erwachsen traurig sind über die schlimmen Sachzwänge und nun ganz pragmatisch zur Tagesordnung übergehen.
Das geht mit uns Piraten nicht. Unsere Prioritäten basieren auf unseren Werten, auf unveräußerlichen Werten.
Sie werden einwenden, dass das auch für Sie gilt, Herr Minister Schneider. Doch ich in meiner Fundamentalismusparanoia finde keine andere Erklärung für Ihr Verhalten als: Wertebasierte Entscheidungen halten nur bis zum nächsten Budgetengpass.
Die Betrachtung der 226 Seiten des Koalitionsvertrags, in denen nichts über Schulsozialarbeit steht, erhärtet diese Annahme. Sie wollen die Kommunen, Schulsozialarbeiter und Kinder im Regen stehen lassen. Bereits jetzt können wir die Folgen Ihrer Budgetpolitik sehen: Viele Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter verlassen schon jetzt blutenden Herzens die Schule – weil sie ja ihren Lebensunterhalt planen müssen. Denn von Ihrem Mantra des Einsatzes für gute Arbeit können auch gute Fachkräfte keine Mieten zahlen oder Currywürste kaufen. So einfach ist das.
Hier stirbt gerade eine über Jahre aufgebaute Infrastruktur. Und warum? – Weil keine nachhaltigen Werte geschaffen werden, weil die Arbeitsplätze dieser so beklatschten Fachleute abgeschafft werden, weil die Finanzierung dieser so ehren- und sinnvollen Arbeit nicht verstetigt wird. Wer soll dann noch glauben, dass es Ihnen tatsächlich ernst war mit der Konzeption der Schulsozialarbeit?
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Achten Sie bitte auf die Redezeit, Herr Kollege.
Olaf Wegner (PIRATEN): Okay. – Darum kann es für uns keinen anderen Weg geben, als die Forderung aufrechtzuerhalten, die wegfallenden Subventionen für die Schulsozialarbeit eins zu eins zweckgebunden zu kompensieren. Sie wollen kein Kind zurücklassen, sagen Sie. Dann stellen Sie bitte auch die Mittel dafür zur Verfügung. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)