Freitag, 29. November 2013
TOP 5. Gesetz zur Aufhebung des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen
Audiomitschnitt der Rede von Nico Kern als Download
Protokoll der Rede von Nico Kern:
„Unfaire Löhne sind eine der größten Bedrohungen des sozialen Friedens und des sozialen Zusammenhalts. Im öffentlichen Beschaffungswesen ist die Gewährleistung einer ordentlichen Bezahlung ein unverzichtbares Mittel, um Lohn- und Sozialdumping bei öffentlichen Aufträgen zu unterbinden.“
Diese Worte könnten Ihnen bekannt vorkommen. Es sind die einleitenden Worte der Gesetzesbegründung aus dem Juli 2011. Bereits in dieser Haltung kommt zum Ausdruck, was das Grundproblem an diesem Gesetz ist und warum es vor dem Europäischen Gerichtshof nach dessen berühmter Rüffert-Entscheidung vermutlich keinen Bestand haben wird. Da bin ich dezidiert anderer Auffassung als die Kollegin Schneckenburger von den Grünen.
Zunächst möchte ich klarstellen, dass wir die Intention des Gesetzes, wie sie in den eben zitierten einleitenden Worten in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommt, ausdrücklich unterstützen. Sozialdumping darf kein Wettbewerbsfaktor sein. Daher haben mittlerweile fast alle Bundesländer ein entsprechendes Tariftreuegesetz erlassen. Deswegen, liebe FDP, ist es auch falsch, es komplett abschaffen zu wollen.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Allerdings ist der Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung, die Rüffert-Entscheidung, in den damaligen Beratungen des Landtags viel zu kurz gekommen, nur ganz kurz behandelt worden. Der Knackpunkt in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs war doch, dass das niedersächsische Tariftreuegesetz keine allgemeine Regelung des Mindestlohns vorsah. Das kann grundsätzlich auf zwei Weisen geschehen: zum einen durch einen gesetzlichen Mindestlohn und zum anderen dadurch, dass ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird, dann gilt er nämlich tatsächlich für alle Arbeitnehmer innerhalb dieses Tarifgebiets. Entscheidend ist an dieser Stelle das Wörtchen „alle“, das Ihnen Schwierigkeiten bereitet.
Was europarechtlich nicht geht, ist, zwischen öffentlichem und privatem Sektor zu unterscheiden. Denn wenn ein Mindestlohn gelten soll, dann doch bitte schön für alle Arbeitnehmer, egal, ob sie im Auftrag für die Privatwirtschaft oder die öffentliche Hand tätig sind.
(Beifall von den PIRATEN)
Man kann nämlich nicht nur den öffentlichen Bereich schützen. Genau das verlangt auch der Europäische Gerichtshof von uns und vor allem von Ihnen, liebe rot-grüne Koalition, als Landesgesetzgeber. Denn nur dann kann man Ihnen abnehmen, dass es Ihnen wirklich um Arbeitnehmerschutz geht. Ansonsten steht doch die Vermutung im Raum, dass es Ihnen nur darum geht, günstigere Anbieter mittels vorgeschobener Argumente vom Verfahren auszuschließen, um dann doch dem teureren Unternehmer den Zuschlag zu geben, mit dem man vielleicht schon so viele Jahre gemeinsam im Stadtrat sitzt.
(Dietmar Schulz [PIRATEN]: So sieht es aus!)
Einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen: Wir haben auf Initiative der Piraten die umstrittene EU-Richtlinie zur Konzessionsvergabe in diesem Hause behandelt. Der Liberalisierungsdruck, der von dieser Richtlinie ausgeht, ist enorm. Die mögliche Privatisierung der Trinkwasserversorgung hatte viele Bürger aufgeschreckt. Sie regelt aber auch, dass bei öffentlichen Konzessionen künftig nur Tariftreueverpflichtungen eingefordert werden dürfen, wenn diese unionsrechtskonform sind. Auch hier sorgen Sie mit Ihrem Gesetz für anfechtbare Vergabeentscheidungen. Das wird letztlich dazu führen, dass sich Billiganbieter, die wir nicht haben wollen, wieder in die Verträge hineinklagen. Das wollen wir definitiv nicht!
(Beifall von den PIRATEN)
Im Grunde genommen ist es doch jetzt ganz einfach für Sie, liebe SPD, Ihren hier zur Schau getragenen Willen umzusetzen: Setzen Sie sich in Berlin für echten Arbeitnehmerschutz ein. Bringen Sie den Mindestlohn jetzt auf den Weg und nicht erst 2017. Dann müssten Sie hier auf Landesebene keine Flickschusterei betreiben. Wir Piraten werden Sie daran erinnern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den PIRATEN)