Veröffentlicht am von in Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Innenausschuss (A09), Joachim Paul, Reden.

Mittwoch, 10. Juli 2013

 

TOP 3. Gesetz   zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung
Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und  Finanzausschusses

2. Lesung

Block II

Unser 1. Redner: Joachim Paul

 

 

 

 

 

Audiomitschnitt der Rede von Joachim Paul

 

 

Wortprotokoll zur Rede von Joachim Paul:

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer auf der Tribüne und daheim! Lieber Herr Minister Walter-Borjans, Sie legen uns einen Gesetzentwurf vor, der behauptet, alternativlos zu sein. Sie brechen das Wort, das die Landesregierung im letzten Jahr erst gegeben hat.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Damals sagten Sie und die Ministerpräsidentin, die Beamtinnen und Beamten hätten bereits in hohem Maße ihren Beitrag zur Sanierung des Haushalts in Nordrhein-Westfalen geleistet.

In der Tat tun sie das bis heute jährlich mit 2,4 Milliarden €. Der Beamtenbund spricht sogar von 2,8 Milliarden €. Jetzt sollen sie sich zusätzlich mit 700 Millionen € jährlich beteiligen. Das ist unlauter.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wenn jedoch die Fraktionen von CDU und FDP heute „verfehlte Politik“, „Bankrotterklärung“ und dergleichen schreien, wenn sie plötzlich den Wert der Beamtinnen und Beamten für Nordrhein-Westfalen für sich entdecken und wenn FDP und CDU gar eine Verfassungsklage erwägen, ist das wohl nur für Menschen mit akuter Gedächtnisschwäche irgendwie glaubwürdig.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich muss an dieser Stelle nicht noch einmal auf die ausgesetzten Besoldungsanpassungen zurückkommen, die vor allem in die Zeit der schwarz-gelben Landesregierung fallen.

(Jochen Ott [SPD]: Aha!)

2005, 2006 und 2007 wurde die Beamtenbesoldung faktisch gar nicht angehoben. Es gab also drei Nullrunden. Sonderzahlungen wurden ausgesetzt.

(Zustimmung von der SPD – Armin Laschet [CDU]: Das stimmt nicht! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Weitere Zurufe)

Sie machen sich mit Ihrer bigotten Aufregung lächerlich. Lassen Sie es sein. Das glaubt Ihnen niemand mehr.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

So nutzen Sie jede Gelegenheit, der Landesregierung eine unseriöse und nicht nachhaltige Haushaltspolitik vorzuwerfen. Sie klagen den Schuldenabbau ein – Schulden, die nicht zuletzt Sie überhaupt erst verursacht haben.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie verlangen die Reduzierung von Ausgaben und tabuisieren gleichzeitig jede Debatte über Einnahmen!

(Beifall von den PIRATEN und der SPD – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Sie wehren sich gegen höhere Spitzensteuersätze, gegen eine Erbschaftsteuer, die leistungsloses Vermögen in die gesellschaftliche Verantwortung nimmt, und Sie wehren sich gegen eine internationale Finanzmarkt- oder Spekulationssteuer – egal, wie sie aussieht – und gegen eine vernünftige Unternehmens- bzw. Kapitalsteuer.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Aber es sind CDU und FDP, die das Sozialticket, das mit bescheidenen 30 Millionen € zu Buche schlägt, als „Wohlfühlpolitik“ diffamieren und ersatzlos streichen wollen.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Sie sind es, die gegen das Tariftreue- und Vergabegesetz opponieren, also gegen eine einigermaßen auskömmliche Bezahlung bei einigermaßen geregelten Beschäftigungsverhältnissen vieler Menschen draußen im Land.

(Zurufe von der CDU)

Wer ist denn gegen den Mindestlohn? Wer ist gegen vernünftig geregelte und faire Beschäftigungsverhältnisse?

(Zurufe von der CDU)

Wer hat die Studiengebühren eingerichtet, die vor allem die Beamtenfamilien treffen, weil dort der Anteil der Studierendenkinder am größten ist?

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wer hat denn das sogenannte Kinderbildungsgesetz 2008 verabschiedet,

(Armin Laschet [CDU] zeigt auf.)

das nichts weiter war als Haushaltssanierung auf Kosten der vor allem weiblichen Beschäftigten und der Eltern?

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

– Haben Sie Schmerzen? Ich weiß: Es tut weh. – Ich erinnere mich nicht daran, dass CDU oder FDP besonders solidarisch mit den Forderungen der Erzieherinnen und Erzieher wa-ren oder sich mit anderen besonders belasteten Beschäftigtengruppen solidarisiert hätten.

(Zurufe von der CDU, der FDP und Michele Marsching [PIRATEN])

Ich weiß: Das tut weh. Ich habe Verständnis für Sie.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Diese Liste – das wissen Sie, Herr Laschet, und meine Damen und Herren von der CDU und der FDP sehr genau – ließe sich noch eine ganze Weile fortsetzen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Es gab gute Gründe für Ihr Wahldesaster 2010 und 2012.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Diese Gründe verschwinden nicht einfach, wenn Sie sich hier zum Wächter der Fairness machen und doch nur Foul spielen. So kommen wir nicht weiter.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Aber wir können die Landesregierung nicht aus der Verantwortung entlassen.

(Armin Laschet [CDU]: Au! – Weitere Zurufe)

Ihre Parteien und Fraktionen haben es versäumt, auf Bundesebene Finanztransaktionssteuer, Erbschaftsteuer und Vermögensteuer wieder einzuführen. Eine Abschöpfung dieser Gelder hätte die Probleme der Besoldungsfinanzierung auf einen Schlag gelöst und dafür gesorgt, dass Regelungen wie der vorliegende Gesetzentwurf nicht nötig wären.

(Beifall von den PIRATEN)

Im Gegenteil haben Sie in Ihrer Regierungszeit genau die Weichen dafür gestellt, die uns heute Fesseln anlegen. Wir sind heute – das muss man so deutlich sagen – im Grunde mit den Ergebnissen einer seit 1990 verfehlten Politik konfrontiert. Allein aufgrund einer unsägli-chen Steuersenkungspolitik des Bundes seit 1998 fehlen in Nordrhein-Westfalen heute 55 Milliarden €. Dieses Geld könnten wir gut brauchen, und es würde diese heutige Debatte überflüssig machen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke:

Herr Kollege, entschuldigen Sie bitte. Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wittke zulassen?

Dr. Joachim Paul

(PIRATEN): Nein, vielleicht ein anderes Mal.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Der Gesetzentwurf ist schlecht; er ist mit heißer Nadel gestrickt. Vor allem zeugt die unglaublich oberflächliche Begründung, die diesen Namen nicht verdient, von einer Missach-tung der ordentlichen Beratungsabläufe des Parlaments.

Wer auf diese Weise einen eklatanten Mangel an demokratischem Grundverständnis zum Ausdruck bringt, muss dafür abgestraft werden. Vom Gegenstand des Gesetzentwurfs ist dabei noch gar nicht die Rede.

Die Gerichte werden darauf ihre Antwort geben. Es gibt gute Gründe, das Scheitern des Entwurfs aufgrund seiner vermutlichen Verfassungswidrigkeit anzunehmen. Wenn es wirklich dazu kommt, hat sich die Landesregierung das ganz allein zuzuschreiben. Wer sich gegen gute demokratische Verfahrensweisen immunisiert, muss sich hinterher nicht wundern, wenn ihm seine handwerklich, inhaltlich und politisch missratenen Entwürfe um die Ohren fliegen.

(Beifall von den PIRATEN)

Die vielbeschworene Politik der ausgestreckten Hand entpuppt sich mit solchem Vorgehen als eine Farce. Wo ist denn das Selbstverständnis von „Verhandeln statt verordnen“ geblieben? Und wo die Bereitschaft, gemeinsam mit den Menschen im Land nach Antworten auf drängende Fragen zu suchen? Wir wollen gern weiterhin an die Ernsthaftigkeit Ihrer ausgestreckten Hand glauben, weil es eben nicht um Parteien und Fraktionen, sondern um die Zukunft unseres Landes geht.

(Beifall von den PIRATEN)

Aber inzwischen verhalten Sie sich, liebe rot-grüne Landesregierung, so, wie Sie es der schwarz-gelben Landesregierung vorgeworfen haben: reichlich machtorientiert, ja fast arrogant. Sie drücken Ihre halb oder gar nicht begründeten Sachen einfach durch. Sie verzichten auf jeden Versuch, gemeinsam an den Herausforderungen des Landes zu arbeiten. Sie gehen nur dann auf die Oppositionsfraktionen zu, wenn es Ihnen und Ihrem parteipolitischen Kalkül dient.

Faire und lösungsorientierte Politik sieht anders aus. Ändern Sie das! Kommen Sie zurück zu Ihrer versprochenen neuen politischen Kultur, die nicht auf Konfrontation und Macht, sondern auf Kooperation und echte Demokratie setzt. Solange Sie das nicht tun, haben Sie die Folgen zu tragen – zum Schaden aller.

Deshalb: Wir verlangen eine Besoldungsregelung, die sachgerecht sowie angemessen ist und den Beamtinnen und Beamten in Nordrhein-Westfalen eine Perspektive eröffnet. Herr Minister, dieser Gesetzentwurf ist schlecht. Wir Piraten lehnen ihn ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

2 Kommentare an “Plenarrede: Joachim Paul zu Beamtenbesoldung”

  • Rabi

    Super Rede,
    da kann man echt stolz sein in der gleichen Partei mitzumachen!
    Gruß

  • pakki

    Tolle Rede!
    Danke für die klaren und deutlichen Worte, Joachim. Da ich gleich zu einer Podiumsdiskussion beim DBB zu Gast bin, werde ich die Kandidaten von SPD und Grünen, aber auch CDU und FDP an ihre vergangene Landtagspolitik erinnern. Ich bin mal gespannt, ob sie ihre kühnen Ziele im Bund mit diesen Fakten noch glaubhaft vertreten können. Ich vermute, der informierte Bürger weiss schon, was davon zu halten ist.

    Gruss, pakki

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