Mittwoch, 19. Juni 2013
TOP 12. Transparenz von Transporten mit radioaktivem Material durch Nordrhein-Westfalen
Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im und außerhalb des Parlamentsgebäudes! Seit einem Jahr sind die Piraten und ich jetzt im Landtag. Seit einem Jahr habe ich diverse Kleine Anfragen zu Atomtransporten gestellt. Gebetsmühlenartig versichert die Regierung in ihren Antworten immer wieder, sie wolle die Transporte minimieren, abschaffen, verhindern.
Zu sehen ist nichts. Es sind keine konkreten Maßnahmen bekannt, die irgendetwas verschlagen hätten, im Gegenteil. Es ist eine Zunahme von bereits jetzt hohem Niveau zu erwarten, denn die Genehmigung zur Ausweitung von Kapazitäten in Gronau wurde dank einer ebenfalls rot-grünen Landesregierung im Jahr 2005 erteilt.
Die SPD/Grünen-Koalition muss jetzt endlich ihre Pläne offenlegen, so sie welche hat, oder sie schnellstmöglich erarbeiten, so sie keine hat. Gerade die Grünen warnen vor der Atomkraft, wenn sie in der Opposition sind, und sie vergeben Laufzeitgarantien mit augenzwinkernder Verlängerungsoption zwischen den Zeilen, sobald sie an der Regierung sind.
In Münster fand im letzten Jahr ein internationaler Uran-Kongress statt, an dem ich teilnehmen konnte. Dort wurde von einem Teilnehmer gesagt: Mit den Grünen ist der Atomausstieg nicht zu machen. Es wundert mich nicht, dass eine solche Äußerung auf einer solchen Konferenz fällt. Denn diese Position gibt es in der Antiatomkraftbewegung. Was mich erstaunt hat, war, dass nicht einer der Teilnehmer aufgestanden ist und gesagt hat: Das ist ein Irrtum, das ist eine Fehleinschätzung. Mit den Grünen geht es doch.
Unser Antrag hier ist jetzt eine Chance für diese Landesregierung und auch für die NRW-Grünen, die Antiatomkraftbewegung Lügen zu strafen. Denn wird bekannt und öffentlich diskutiert, wie viele Transporte es wirklich gibt, dann steigt der Druck in der Öffentlichkeit, weil diese Transporte ein Spiel mit dem Feuer sind.
Nuklearmaterial geht immer wieder auf unsichere Tour, von der Uranmine zur Yellowcake-Produktion, zur Anreicherung, zur Brennelementefabrik, ins Atomkraftwerk, in die Konditionierung, zur Wiederaufarbeitung, ins Zwischenlager. Und in NRW gibt es dabei keine Transparenz. Geheimhaltung geht über alles. Es gibt keine öffentliche Beteiligung, keine Kontrolle bei diesem Vabanquespiel mit der Sicherheit der Bevölkerung.
(Beifall von den PIRATEN)
Wann kommen endlich Transparenz und Statistiken, dauerhafte Dokumentationen und ein Gefahrgutinformationssystem für Atomtransporte? Warum gibt es sie nicht längst schon? Warum ist in der Landesregierung keine Taskforce eingerichtet, kein ständiger interministerieller Arbeitskreis? Denn die Thematik der Atomtransporte wird von mindestens drei Ministerien in Nordrhein-Westfalen bearbeitet, und da herrscht Kuddelmuddel.
Am 8. März 2010 stoppt die Bremer Polizei einen Lastwagen mit einem Uranhexafluorid-Transport. Das Gestell, auf dem der Behälter transportiert wurde, war teilweise durchgerostet. Der Behälter war auf dem Seeweg von den USA nach Hamburg gekommen, und sollte von dort zur Anreicherungsanlage Gronau gebracht werden.
Dann kam es am 1. Mai 2013 in Hamburg zu einem Brand auf dem Frachter „Atlantic Carrier“ mit neun Tonnen Uranhexafluorid an Bord und mit Munition. Beides war gemeinsam auf einem Frachter. Die Katastrophenschutzkräfte waren wegen der Geheimhaltung nicht vorbereitet. Es gab in ganz Norddeutschland nicht genug Kohlendioxid zum Löschen. Man kann ein solches Schiff mit Uranhexafluorid nicht mit Wasser löschen; denn Uranhexafluorid verdampft bei etwas über 50 Grad und es reagiert intensiv mit Wasser zu Flusssäure und Uranylfluorid, das wiederum weiter reagiert und erneut Flusssäure und Uranoxide freisetzt.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidiums Claudia Baitinger, die stellvertretende Sprecherin des Arbeitskreises Atom des BUND in Nordrhein-Westfalen:
„Dieser Vorfall zeigt mal wieder deutlich: Atomkraft ist unbeherrschbar. Das gilt eben nicht nur für den Betrieb von AKWs, sondern für die gesamte Produktions- und Abfallkette dieser Hochrisikotechnologie.“
Überall werden die Rettungskräfte dasselbe Problem haben: Sie sind nicht über anstehende Urantransporte informiert, können sich nicht angemessen vorbereiten und sind nicht entsprechend ausgestattet.
Ich sehe, meine Redezeit läuft ab. Ich hätte eigentlich noch aus einer Studie der Bundesgrünen zu Transporten radioaktiver Stoffe in der Bundesrepublik Deutschland aus dem Februar 2011, ergänzt im September 2011, zitieren wollen. Dazu komme ich jetzt nicht mehr in vollem Umfang.
Nur so viel:
„Die Einhaltung des § 6 StrlSchV (Minimierungsgebot) wird nicht im gebotenem Umfang geprüft …“
Das steht auf Seite 46 dieser Studie. Und es steht auch in der Studie:
„Bei erkannten Unregelmäßigkeiten können wegen des erforderlichen Zeitaufwandes für die Durchsicht der unterschiedlichen Zusammenhänge registrierter Transportvorgänge Sachverhalte allenfalls mit größerer Verzögerung ermittelt werden.“
Auf Seite 77 dieser Studie folgt dann eine Reihe von Empfehlungen und Aufforderungen – von den Bundesgrünen aus der Opposition an die Bundesregierung.
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Rohwedder, die Redezeit.
Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Ein letzter Satz: Wie es mit Tatkraft und Handlungswillen in dieser Landesregierung mit grüner Regierungsbeteiligung steht, das werden wir gleich sehen. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)