Veröffentlicht am von in Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (A10), Reden.

Mittwoch, 20. März 2013

 

TOP 2. Gute Wissenschaft braucht gute Arbeit: Wissenschaftszeitvertragsgesetz reformieren
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und PRIATEN
Block I – direkte Abstimmung
Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP
Drucksache  16/2428
Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
Unser Redner: Joachim Paul

Audiomitschnitt der Rede von Joachim Paul

Videomitschnitt der Rede von Joachim Paul

Das Wortprotokoll zur Rede von Joachim Paul:

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-gen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und daheim! Bei der Durchsicht des Antrags haben wir festgestellt – leider ein bisschen spät –, dass wir ihn nicht nur gut, sondern richtig gut finden. Er entspricht einer Position, die wir 2010 in der Bundespartei diskutiert haben.

Das wichtige Thema der Arbeitsbedingungen an den hiesigen Hochschulen ist nicht nur im Landtag allgegenwärtig, sondern es wird an allen Hochschulen in Deutschland heiß disku-tiert. Für uns ist es wichtig, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine verlässliche Perspektive in ihrer Karriereplanung und in ihrer persönlichen Lebensplanung haben. Das ist durch unbegründete Befristungen nicht möglich.

Die in der freien Wirtschaft gängige Argumentation, Zeitverträge seien eine Voraussetzung, um flexibel auf die Wirtschaftslage reagieren zu können, kann nicht so einfach auf Hochschulen übertragen werden. Sicherlich hat der Arbeitsplatz Hochschule seine Eigenheiten, aber für öffentliche Einrichtungen gerade im Bildungssektor sind prekäre Arbeitsverhältnisse zu verhindern. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz hat dem Ganzen leider Tür und Tor geöffnet. Für steuerfinanzierte Einrichtungen sollte und muss es möglich sein, eine mittel- bis langfristige Personalplanung realisieren zu können.

Die Hochschulen haben durch die Übertragung des Personals die Aufgabe, neu eingestell-ten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie dem jetzigen Personal eine Perspektive ohne Zeitverträge und unnötige Befristungen zu bieten. Die Zahlen sind bereits genannt worden, damit möchte ich nicht weiter langweilen.

Ein Punkt ist in dieser Frage noch wichtig: Flexibilität zeichnet sich eben nicht durch befristete Verträge aus, Flexibilität wird in der Wissenschaft selbst schon garantiert. Denn Wissenschaft bedeutet, dass Horizonte erweitert werden und interdisziplinär sowie auch internatio-nal agiert wird. Die grundsätzliche Unterstellung, dass Planstellen oder unbefristete Verträge zu weniger Flexibilität führen, ist im Grunde ein Ammenmärchen.

Ich möchte aber einen anderen Punkt in den Fokus stellen, der wissenschaftlich valide ist: Lyman Porter und Edward Lawler haben in den 60er-Jahren mit ihrem Weg-Ziel-Modell der Motivation dargestellt, dass die Motivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von einigen Faktoren abhängt. Die beiden Kernpunkte des Modells sind: Die individuelle Motivation am Arbeitsplatz wird bestimmt von den Wahrscheinlichkeiten, dass erstens erhöhte Bemühun-gen zu verbesserter Arbeitsleistung und zweitens gute Arbeitsleistungen auch zu den gewünschten Zielen führen, die Wert, die Valenz besitzen. Dabei unterscheidet man zwischen intrinsischer und extrinsischer, also innerer und äußerer Belohnung. Die intrinsische Beloh-nung wird durch herausfordernde Aufgaben, Erfolgserlebnisse, Kompetenzerweiterung und das Gefühl, mit seiner Arbeit etwas Sinnvolles zu tun, bewirkt. Die extrinsische Belohnung ist nicht mit der Arbeit selbst verbunden, sondern fließt der Person aus Quellen der Organi-sation zu: finanzielle Belohnung, Gewinnbeteiligung, Karrierebeförderung, Freundschaften usw.

Wir sollten den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an den hiesigen Hochschulen gerade die extrinsische Belohnung im Zuge von sicheren und gut bezahlten Beschäfti-gungsverhältnissen nicht durch ein schlechtes Bundesgesetz vorenthalten. Das hat gerade im Sinne der Nutzung von Innovationspotenzialen in der deutschen Wissenschaft und damit auch in der Wirtschaft eine erhebliche Relevanz. Wenn die Annahme des internationalen Wettbewerbs innerhalb der Wissenschaft richtig ist, dann können wir uns einen akademischen Mittelbau auf Schleudersitzen erst recht nicht erlauben. Die Wissenschaft wird es uns durch Ergebnisse danken, die den Namen auch verdienen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke:Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul.

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