20. Plenarsitzung, 23.01.13
TOP 3. Inklusion: Landesregierung muss (Rechts-)unsicherheit beenden endlich handeln und Gesetzentwurf vorlegen!
Block II, Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 16/1907
Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Überweisung
Audiomitschnitt der Rede von Monika Pieper
Videomitschnitt der Rede von Monika Pieper
Nachtrag zur Rede von Monika Pieper (Audio)
Nachtrag zur Rede von Monika Pieper (Video)
Das vollständige Plenarprotokoll gibt es hier.
Wortprotokoll der Rede von Monika Pieper:
Monika Pieper (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich wieder einmal für den Geschichtsunterricht bedanken, den wir hier gerade bekommen haben, damit wir wissen, wer die letzten Jahre an allem schuld war. Dafür erst einmal vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich freue mich, dass die CDU einen Antrag zum Thema „Inklusion“ eingebracht hat. Dafür herzlichen Dank. Herzlich bedanken möchte ich mich auch für den Antrag der FDP. Denn beide Anträge führen dazu, dass dieses Thema überhaupt mal wieder im Parlament besprochen und verhandelt wird.
(Beifall von Klaus Kaiser [CDU]) Obwohl der CDU-Antrag ein paar gute Ansätze aufzeigt, halte ich ihn nicht für zielführend. Wenn wir uns das Papier einmal anschauen, dann sehen wir, dass die Landesregierung so-fort ein neues Schulrechtsänderungsgesetz vorlegen soll.
Am Referentenentwurf gab es viel Kritik. Ein breites Bündnis von Lehrern und Elternverbänden sowie Vertretern der Kommunen haben viele berechtigte Einwände erhoben.
Es kann jetzt aber niemand wollen, dass die Landesregierung diesen oder einen weiteren hastig geänderten Entwurf vorlegt. Jetzt müssen Gespräche geführt werden. Jetzt müssen gemeinsam intensiv Lösungen erarbeitet werden, bevor ein neuer haltbarer Gesetzentwurf vorgelegt werden kann.
Nach Ihrem Antrag, Herr Kaiser, soll der Landtag außerdem aufgefordert werden, festzustellen, dass die Landesregierung nicht gewillt ist, sich an den bestehenden Kosten vor Ort zu beteiligen. – Ich unterstelle Frau Ministerin Löhrmann, dass sie dazu durchaus gewillt wäre, wenn die „Kohle“ da wäre. Aber ich denke, dass sie keinen Goldesel im Keller hat, um das Geld dafür auszuschütten.
Das Problem ist doch, dass die Haushaltslage im Land so angespannt ist, dass die Kosten für eine schnelle Inklusion nicht gestemmt werden können. Wo also soll Ihrer Meinung nach, Herr Kaiser, das Geld herkommen? Und wo soll es eingespart werden?
Daneben wird eine Aufklärungskampagne gefordert, welche die Öffentlichkeit über inklusiven Unterricht informiert. – Neben der Tatsache, dass das durchaus bereits passiert, muss ich mich fragen, welchen Sinn eine solche Kampagne zu diesem Zeitpunkt macht. Erst wenn ein tragbares Konzept transparent erarbeitet wurde, sollte man dieses öffentlich bewerben und erklären. Zum jetzigen Zeitpunkt würde eine solche Kampagne nur zu weiterer Verunsicherung führen.
Das soll nicht heißen, dass die Diskussion jetzt nicht öffentlich geführt werden soll und muss. Aber um zu informieren und aufzuklären, scheint es angebracht, genau zu wissen, worüber informiert und aufgeklärt werden sollte.
Der Antrag benennt eine Reihe von wichtigen Punkten, über die gesprochen werden muss. So finde ich es durchaus sinnvoll, gemeinsam mit den Kommunen einen Plan für Schwer-punktschulen zu erarbeiten. Hier fordere ich genauso wie Sie, dass verhindert wird, dass bis dahin weiter kalte Inklusion betrieben wird. Kalte Inklusion ist für betroffene Schüler, Lehrer und Eltern eine Zumutung und wirkt dem Gelingen von qualitativ hochwertiger Inklusion massiv entgegen.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich unterstütze auch Ihre Forderung nach mehr genauen Definitionen und klaren Aussagen im Gesetz. Die Landesregierung soll die personellen Voraussetzungen für gelungene Inklusion definieren. Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Dabei ist jedoch klar, dass eh nicht ausreichend Personal vorhanden ist. Es gibt nicht genügend Sonderpädagogen, die eine schnelle Umsetzung von qualitativ hochwertiger Inklusion ermöglichen würden.
Auch das Erstellen eines Stufenplans mit festgeschriebenen Zwischenschritten finde ich sinnvoll. An dieser Stelle ist von der Zusammenarbeit mit den Betroffenen die Rede. Ich hoffe, Herr Kaiser, Sie meinen damit nicht nur die Verbände, sondern auch die betroffenen Schüler und Lehrer. Denn diese wurden meiner Meinung nach bisher viel zu wenig in den Prozess eingebunden.
(Beifall von den PIRATEN und Klaus Kaiser [CDU])
Nun geht dieser Antrag in den Ausschuss. Das finde ich gut. Denn man muss sich auch fragen, welchen Stellenwert der Ausschuss und das Parlament in diesem Prozess zur inklusiven Schule eigentlich einnehmen.
Frau Ministerin Löhrmann, Sie beschwören stets die Wichtigkeit der konstruktiven Zusammenarbeit. Sie werden nicht müde, zu erklären, dass Inklusion eine gemeinsame Aufgabe von uns allen ist. Doch leider beziehen Sie das Parlament nicht wirklich aktiv mit ein.
Ich war doch sehr verwundert, dass ich von der Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens und der Verschiebung des Rechtsanspruchs aus den Medien erfahren habe. Wäre es nicht eigentlich selbstverständlich gewesen, wenigstens die Ausschussmitglieder – wenn nicht schon beratend, so doch zumindest informell – mit einzubeziehen?
(Beifall von den PIRATEN)
Schon eine kurze Mail hätte genügt, um uns auf den aktuellen Informationsstand zu bringen. Das hätte Ihre Glaubwürdigkeit sicherlich gestärkt. Ihnen scheint es jedoch wichtiger zu sein, hier die Medien zu bedienen, statt auf Kooperation mit dem Parlament zu setzen.
Vor allem erwarte ich, dass Sie die Einwände und Bedenken der Betroffenen ernst nehmen. Den Stein der Weisen für die Umsetzung der Inklusion haben Sie mit dem Referentenentwurf nicht gefunden. Die Diskussion ist wieder eröffnet. Die Vorstellungen und Konzepte sind auf dem Prüfstand; dazu haben wir hier schon Anfang Juli unsere Kritik vorgebracht. Und auch der Entschließungsantrag der FDP bringt einige gute Ansatzpunkte.
Wir meinen, dass dem Elternwillen umfassend Geltung eingeräumt werden muss. Er er-schöpft sich nicht im Rechtsanspruch auf einen Platz in der allgemeinen Schule. Dazu gehört auch das Recht auf Eröffnung eines Verfahrens auf Feststellung zum sonderpädagogischen Förderbedarf.
Zum Thema „Beteiligung“. Beim Gesprächskreis „Inklusion“ im Oktober monierten viele Teilnehmer die geringen Möglichkeiten, sich wirklich zu beteiligen. Einen überzeugenden Dialog hat es bisher nicht wirklich gegeben. Vor allem müssen Sie auf die Betroffenen zu-gehen. Es reicht nicht, hinter verschlossenen Türen zu verhandeln. So gewinnen Sie nicht die notwendige Akzeptanz der Eltern und der Lehrer für die Inklusion an unseren Schulen. Dazu ist die Verunsicherung im Moment zu groß.
Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, dass das Thema „Inklusion“ am allerwenigsten für Parteigeplänkel und Wahlkampfrhetorik geeignet ist. Es ist die Aufgabe aller Beteiligten, gemeinsam um Lösungen zu ringen, damit wir wirklich kein Kind zurücklassen. Wenn ich jedoch sehe, dass hier permanent beteuert wird, dass wir das alles gemeinsam machen und dieses Thema nicht für Parteigeplänkel geeignet ist, um dann zwei Minuten später aufeinander einzudreschen, dann, meine Damen und Herren – mit Verlaub, Herr Präsident –, kotzt mich das an!
(Beifall von den PIRATEN)
Wortprotokoll des „Nachschlags“ von Monika Pieper:
Monika Pieper (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Hendricks, ich schätze Sie sehr. Ich bedanke mich außerordentlich für Ihre Belehrungen. Ich bin zwar noch nicht lange hier, aber die Verfahren sind mir durchaus bekannt. Auch wenn ich 20 Jahre in einer Förderschule gearbeitet habe, heißt das nicht, dass ich persönlich sonderpädagogischen Förderbedarf habe. – Danke.
(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)