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Plenarsitzung 17, 12. Dezember 2012
Einrichtung einer Enquete-Kommission zur Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf nachhaltige Rohstoffbasen, Produkte und Produktionsverfahren

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN / Drucksache 16/1630
Mitschnitt der Rede von Oliver Bayer

Redeprotokoll:

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Zuschauer, natürlich auch vor allem zu Hause! Es geht hier um die Einrichtung einer Enquetekommission, die dafür sorgt, dass sich alle Fraktionen für einen längeren Zeitraum einem bestimmten sehr komplexen Thema widmen können. Dafür werden zusätzliche finanzielle und zeitliche Ressourcen bereitgestellt.

Konkret geht es hier um die Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Also es geht um eine Querschnittsbranche, von der fast alle anderen Branchen des sekundären Sektors abhängen, nicht nur in NRW. Die chemische Industrie ist ein stabiler Innovationskristallisationspunkt für NRW und seine Wirtschaft. Über eine sehr lange Zeit hat er andere Krisen solide überdauert, wie Herr Markert bereits anmerkte.

Ob nun Nanotechnologie oder Biomimetik, die chemische Industrie ist oft Ausgangspunkt dessen, was wir gern mit Ehrfurcht als Schlüsseltechnologie oder Basisinnovation bezeichnen.

Dass wir in Nordrhein-Westfalen gleich mehrere Agglomerationen rund um Großunternehmen und ihre Spin-offs haben, bietet uns Chancen für mehr und schafft Verantwortung. Denn so sehr ich die chemische Industrie auch herzlich lobe, so muss ich sie auch scharf kritisieren. Sie bringt nicht nur Lösungen für unsere Probleme, sondern sie schafft auch durch Lösungen und andere chemische Produkte wieder neue Probleme.

(Beifall von den PIRATEN)

Besonders deutlich wird dies immer wieder bei den chlororganischen Produkten. Zwar werden DDT, FCKW und PVC nicht mehr oder deutlich seltener verwendet, und Herstellungsprozesse sind weniger gefährlich geworden, doch Altlasten bedrohen uns bis heute. Ich verweise nur auf die hohe PCB-Belastung, die aktuell in vielen öffentlichen Gebäuden wie Hochschulen und Schulen festgestellt wird. Solche Katastrophen darf man nicht als Relikt der Vergangenheit abtun. Da hilft wachsam bleiben.

Ein weiteres Problem der chemischen Industrie bietet gleichzeitig eine Reihe großer Chancen, sofern frühzeitig Alternativen aufgegriffen werden. Fossile Rohstoffe sind nicht ubiquitär. Das werden wir immer stärker auch in der chemischen Industrie merken, nicht nur am Preis der Ressourcen. Hinzu kommt der Wunsch zur CO2 -Reduzierung. Herr Schmeltzer bemerkte es. Langfristig planen ist da entscheidend.

Die chemische Industrie konkurriert hierbei mit der Energiewirtschaft. Die Energiewende in unterschiedlicher Ausprägung ist immer auch eine Rohstoffwende, die nicht allein die Anwendung der Rohstoffe als Energieträger betrifft.

Wie verhalten sich Energiewende und Entwicklung der chemischen Industrie zueinander? Gute Frage. Der Antrag stellt die Dekarbonisierung und die Fragen dazu in den Mittelpunkt der Enquete. Der Ergebnisfindung wird jedoch nicht viel Raum gegeben. In ganz bestimmter Weise sollen Nachhaltigkeitsaspekte beleuchtet werden. Mir ist da der Blick etwas zu eng und auch die Lösung etwas zu vordefiniert. Eine Enquetekommission ist keine PR-Veranstal­tung für bestimmte Technologien oder Anbieter.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Antrag setzt auch darauf, dass Wissenschaft und Forschung spezielle Wege gehen sollen. Freie Wissenschaft und bahnbrechende Innovationen erreicht man jedoch nicht durch deutliche Wegweiser, sondern durch den Mut, viele Pfade zu versuchen. Bei der Entwicklung neuer Technologien und deren Anwendung werden neue Wege beschritten, die die Folgeentwicklung mitbestimmen. Das Betreten gänzlich neuer Pfade führt zu Entwicklungsfeldern, die ansonsten nicht hätten beschritten werden können.

Wenn wir das Ziel und die Richtung vorgeben, behindern wir womöglich Innovationen. Suboptimale Wege können nur mit hohem Aufwand verlassen werden. Das betrifft die Entwicklung der chemischen Industrie in NRW genauso wie die Arbeit in der Enquetekommission, eine Arbeit, die sehr fruchtbar sein kann, die aber nur funktioniert, wenn man alle Akteure einbindet. Das sind gerade bei diesem Thema sehr viele. Die Unternehmen, klein wie groß, sind in dem Fall Partner, nicht Gegner oder Problem. Die Beteiligung sollte breit, die Informationsgerechtigkeit gegeben sein. Wir appellieren daher an Sie alle, eine größtmögliche Öffentlichkeit bei der Enquetekommission herzustellen.

Die Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Bundestages hatte am 5. November 2012 eine Sitzung zum Thema „Nachhaltiges Wirtschaften am Beispiel der Chemiebranche“, also zu hundert Prozent unser Thema. Diese öffentliche Anhörung wurde aufgezeichnet, und es ist möglich, sie sich im Nachhinein anzuschauen, sich umfassend zu informieren. Das ist wunderbar, denn sie bietet eine gute Grundlage, um sich anschließend direkt in die Arbeit der hier beantragten Enquetekommission zu stürzen. Das möchten wir gerne tun. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Bayer. – Nun spricht für die Landesregierung in Vertretung des Wirtschaftsministers, Herrn Duin, Frau Wissenschaftsministerin Schulze.


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