Plenarsitzung 15 vom 29. November 2012
Oliver Bayer zu TOP 12: Herausforderungen des doppelten Abiturjahrgangs annehmen – Wo sind die Konzepte der Landesregierung?
Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 16/1477
Oliver Bayer (PIRATEN): Ja, ich würde gerne das Zweischlingen erwähnen, ich würde auch gern noch einmal Brakel erwähnen, aber da gibt es leider keine Uni.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer am Stream, wo gerade erst die beste Sendezeit beginnt! Aufgrund der Demografie, der Aussetzung der Wehrpflicht und der Verkürzung der Schulzeit werden im nächsten Jahr mehr Studienanfänger erwartet als bisher angenommen. Soweit wissen wir Bescheid.
Statt rechtzeitig zu handeln, lautet die Botschaft, die unsere Studierenden derzeit erreicht: Nach dem nächsten Jahr werden noch weniger Leute von euch an die Hochschulen kommen als bisher und somit lohnt es sich gar nicht, beispielsweise neue Studentenwohnheime zu bauen. Deshalb ziehen wir Geld vor, weil wir es nachher nicht mehr brauchen.
Richtig ist an der Annahme: Erstmals sind die Schülerzahlen in Deutschland unter 700.000 gefallen. Aber warum folgern Sie daraus, dass in Zukunft auch weniger Menschen in NRW ein Studium anfangen werden? Ihre eigenen Ziele besagen, Sie wollen einen höheren Anteil der Abiturienten dazu bewegen, ein Studium zu beginnen, Sie wollen für ausländische Studierende attraktive Studienplätze schaffen – Bologna gilt ja wahrscheinlich noch – und Sie wollen die Hochschulen in einen Ort der Weiterbildung umwandeln.
Glauben Sie nicht an Ihre eigenen Ziele? Wir wollen doch gemeinsam aus NRW einen in Europa bekannten und geschätzten Hochschulstandort machen oder ihn noch erweitern. Sind Sie von Ihrer eigenen Politik so wenig überzeugt? Wenn wir einen guten Rahmen setzen, kommen in Zukunft auch zusätzliche Studierende. Einfach davon auszugehen, dass die Zahl der Studierenden wieder abrupt rückläufig wird, lässt eigentlich nur auf eine Bankrotterklärung der Landesregierung schließen.
(Beifall von den PIRATEN)
Der Mehrbedarf an studentischen Wohnungen wird langfristig vorhanden sein, zum Beispiel weil im privaten Sektor mit höheren Mieten zu rechnen ist.
Die Kultusministerkonferenz ist 2009 von 110.000 jungen Menschen ausgegangen, die ein Studium in NRW aufnehmen wollen. Im Februar 2012 musste die Konferenz die Schätzung nach oben korrigieren, und zwar um fast 10 % auf 123.000 Studienanfänger.
Anstatt nun die Initiative zu ergreifen und aktiv zu werden, wartet die Landesregierung seelenruhig auf die Neuverhandlungen über den Hochschulpakt mit dem Bund.
Es geht nicht darum, wie viele Maßnahmen die Landesregierung trifft, sondern es geht darum, wie die Maßnahmen greifen. Sind Maßnahmen bisher wirksam gewesen?
Nehmen wir wiederum den Wohnraum als Beispiel: Derzeit werden nach Angaben des Wissenschaftsministeriums in NRW rund 49.000 Wohnheimplätze für Studierende bezuschusst. Im Bundesvergleich ist das nur Mittelmaß. Es sollen nun zusätzlich 750 Wohnheimplätze pro Jahr geschaffen werden. Diese Maßnahme ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist jetzt schon klar, dass die Studierenden an ihrem Studienort lange auf der Straße stehen werden, ob nun mit dem Bus oder mit dem Auto, also lange Pendlerstrecken in Kauf nehmen müssen. In einem komprimierten Bachelor-Studium mit einem 8-Stunden-Aufwand über den Tag verteilt, nicht am Stück, sind Fahrzeiten von 1 bis 2 Stunden schon ein Problem. Deshalb beschweren sich die Studierenden darüber auch zu Recht. Und da haben alle Landesregierungen in den letzten Jahren gepennt.
Bei den Wohnheimen gibt es noch einen weiteren Haken: Studierende sollen die Wohnquartiere aufwerten, später aber wieder verschwinden und für andere Bevölkerungsgruppen Platz machen. Es geht also dann um die altersgerechten Wohnheime. Das nennt man übrigens Gentrifizierung.
(Zuruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])
Studenten ansiedeln entspricht der Pionierphase. Ich möchte nur darauf hinweisen; aber das ist der andere Antrag. Ich glaube, kein Student möchte sich dafür einspannen lassen.
Wir können insgesamt feststellen: Sie erkennen das Problem nicht und sitzen es bewusst aus. Insofern ist die Forderung des Antrags nach verlässlichen Zahlen erst einmal nicht schlecht. Insbesondere was die Schaffung von Masterplätzen im Anschluss an den Bachelor betrifft, könnten wir noch ein Zeitfenster von 12 bis 15 Monaten haben. Es ist also noch nicht zu spät, um ähnliche Katastrophen wie beim studentischen Wohnen oder beim BAföG zu vermeiden.
Die Forderung, die Unterstützungsmaßnahmen für jede Hochschule offenzulegen, ist durchaus ein erster Schritt, auch wenn der Antrag an sich natürlich nicht viel Neues bringt. Das haben wir alles schon tausend Mal im Ausschuss, in der Öffentlichkeit und sicherlich auch hier in den vergangenen Jahren besprochen.
Aber der Antrag der CDU sorgt vielleicht dafür, dass wir im Ausschuss nicht häppchenweise an diese Informationen kommen müssen. Ich weiß nicht, ob dafür nicht vielleicht auch eine Kleine Anfrage gereicht hätte, aber jetzt reden wir darüber. Deshalb werden wir den Antrag im Ausschuss weiter behandeln und dann darüber abstimmen. – Ich bedanke mich.
(Beifall von den PIRATEN)