Bürgerinitiative „Alles dicht in Dülmen“ diskutiert mit Abgeordneten der Piratenfraktion
Das Thema Dichtheitsprüfung beschäftigt nach wie vor die Bürger genauso wie die Parteien und Politiker im Landtag NRW. Das hat sich auch wieder am 10.10.2012 in Dülmen gezeigt. Die Bürgerinitiative „Alles dicht in Dülmen“ hatte eingeladen, um mit den Landtagsabgeordneten aller Parteien über die Dichtheitsprüfung zu reden.
Die Piratenfraktion lehnt die jetzige Form der Dichtheitsprüfung ab. Ohne einen konkreten Verdacht auf Schädigung des Untergrunds durch eine private Abwasserleitung ist eine pauschale Prüfung aller privaten Abwasserleitungen überflüssig. Außerdem stellt die aktuelle Regelung eine beispiellose Vernichtung von Bürgervermögen ohne jeden Gegenwert dar, der selbst dann nicht verhältnismäßig wird, wenn die sozialen Härtefälle durch Förderprogramme der Regierung abgefedert werden. Die Piraten zweifeln die Verfassungsmäßigkeit der Dichtheitsprüfung an, weil mit Blick auf die betroffenen Bürger die Verhältnismäßigkeit der geplanten Maßnahmen immer noch nicht gewahrt wird. Deswegen fordern wir, die unnötige Dichtheitsprüfung komplett zu streichen.
Außerdem ist noch die Frage der Zuständigkeit ungeklärt. Ein vom NRW-Umweltminister in Auftrag gegebenes Gutachten, das jetzt veröffentlicht wurde, besagt, dass die
Landesregierungen grundsätzlich ermächtigt seien, entsprechende Vorschriften zu erlassen. Wir sprechen uns aber dagegen aus, dass das Umweltministerium in NRW die Aussage eines solchen Gutachtens als Freibrief für eine Regelung auf Landesebene interpretiert. Die Piratenfraktion unterstützt den Wunsch vieler Bürger und Bürgerinitiativen nach der Aussetzung des Vollzugs des § 61 a Landeswassergesetz NRW (dieser fordert die Dichtheitsprüfung), bis es eine bundeseinheitliche Regelung gibt.
Und auch innerhalb der beiden Regierungsparteien herrscht offenbar Uneinigkeit. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat das Wahlversprechen abgegeben, keine verbindlichen Fristen für die Dichtheitsprüfung mitzutragen. Die Grünen dagegen wollen die Dichtheitsprüfung unbedingt durchsetzen, auch gegen den Widerstand der Bevölkerung in NRW, der sich in den zahlreichen Bürgerinitiativen im ganzen Land formiert hat. Wir sind gespannt, wer von den beiden Koalitionspartnern die Kröte schlucken muss.
Vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, dass bei der Veranstaltung der BI in Dülmen weder Vertreter der SPD noch der Grünen anwesend waren, um sich die Meinungen der Bürger anzuhören. Wir werden bei der nächsten Ausschusssitzung am 24.10.2012 im Landtag NRW weiter für unsere Forderungen eintreten.
Siehe auch die Presseerklärung vom 27.09.2012: Kein NRW-Alleingang bei Dichtheitsprüfung
Hanns-Jörg Rohwedder, Umweltpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW
Hintergrund zur Dichtheitsprüfung
In Nordrhein-Westfalen haben wir rund zweihunderttausend Kilometer private Abwasserleitungen, die mit der öffentlichen Kanalisation verbunden sind. Nach dem Landeswassergesetz müssen die Grundstückeigentümer dafür Sorge tragen, dass die Abwasserrohre dicht sind, so dass aus ihnen kein verschmutztes Wasser austritt. Dadurch soll verhindert werden, dass Schmutzwasser aus undichten Leitungen ins Erdreich oder ins Grundwasser gelangt.
Die Notwendigkeit von Dichtheitsprüfungen von Abwasserrohren wird von der Piratenfraktion daher nicht generell in Frage gestellt. Allerdings muss die tatsächliche Verschmutzungsgefahr bzw. Trinkwassergefährdung durch häusliche Abwässer belegt werden. Dementgegen sind Industrieabwässer und diverse landwirtschaftliche Tätigkeiten (Gülle) um einiges schädlicher für Böden, Grundstücke und das Grundwasser und sollten daher vorrangig kontrolliert und bearbeitet werden.
Dichtheitsprüfungen von privaten Abwasserleitungen sind nach dem jetzigen Gesetz in festgelegten Abständen vorgeschrieben. Offenbar haben sich nicht alle Kommunen und die privaten Hauseigentümer an diese Vorschrift gehalten. Grund dafür: der Aufwand steht oft in keinem Verhältnis zum Nutzen und ein effektiver Gewässerschutz ist auch durch andere Maßnahmen durchführbar. Es bleibt die Frage offen: Wie viel Schmutzwasser kommt in die öffentliche Kanalisation und kommt dies vorwiegend von privaten Abwasserrohren oder von den öffentlichen?
Diese Frage muss beantwortet werden, damit nicht Schäden der öffentlichen Abwasserkanalisation auf private Haus- und Wohnungsbesitzer abgewälzt werden. Die Piratenfraktion zweifelt immer noch die Verfassungsmäßigkeit der Dichtheitsprüfung
an, weil die Verhältnismäßigkeit der geplanten Maßnahmen nicht gewahrt wird. Für uns folgt daraus: wenn die Landesregierung tatsächlich die zwangsweise Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserkanälen durchsetzt, überlegen wir, eine Normenkontrollklage durchführen zu lassen.