Eklatante Systemfehler bei Ermittlungen gegen Polizisten
Zum vorgelegten Bericht der Landesregierung zur Affäre des Herforder Polizeieinsatzes sagt Dietmar Schulz, Sprecher der Piratenfraktion NRW im Rechtsausschuss:
„Der Bericht zeigt die eklatanten Systemfehler, die bei Ermittlungen gegen Polizisten vorherrschen: Die Staatsantwaltschaft verlässt sich auf Ermittlungsergebnisse, die die Kollegen der Verdächtigen erstellt haben. Wenn die Polizei gegen sich selbst ermittelt, ist die notwendige Neutralität der ermittelnden Beamten offensichtlich nicht in allen Fällen gegeben. Wir fordern deshalb eine unabhängige Ermittlungsbehörde für Untersuchungen gegen Polizisten.
So haben im vorliegenden Fall die ermittelnden Polizisten aus dem Video der Staatsanwaltschaft lediglich Standbilder zur Akte gegeben. Doch auf diesen Standbildern war nicht erkennbar, dass die Aggression von dem betroffenen Polizisten ausging. Das ist eine aktive Beeinflussung der Ermittlungsergebnisse.“
Der fragwürdige Herforder Polizeieinsatz ist ebenfalls Thema im Innenausschuss am 11.06.2015 mit folgendem Bericht der Landesregierung.
Anna Diek
Lieber Herr Schulz,
über Ihre Aussage bin ich überrascht. Ich zitiere Sie deshalb hier wie folgt: „So haben im vorliegenden Fall die ermittelnden Polizisten aus dem Video der Staatsanwaltschaft lediglich Standbilder zur Akte gegeben.“ In dem Bericht der Landesregierung, auf den Sie sich beziehen, ist jedoch auf Seite 2 Folgendes zu lesen: „Die DVD mit der Videoaufzeichnung aus der Streifenwagenkamera
war Bestandteil der dem Gericht übersandten Akte und wurde in der Anklageschrift als Beweismittel aufgeführt.“
Wie erklären Sie das? Der Versuch einer „aktiven Beeinflussung“ des Wählers?
Dietmar Schulz
Liebe Frau Diek, die Anklage fußte ausschließlich auf der polizeilichen Ermittlungsakte. Dieser Akte war zwar die, durch Passwort gesicherte DVD beigefügt. Das Passwort wurde von der zuständigen Polieidienststelle jedoch erst nach Anklageerhebung der Verteidigung auf Anforderung zugeleitet und befand sich nicht in der Akte. Nach Darstellung des ermittelnden Beamten zeigte die Lichtbildmappe schwerpunktmäßig die körperlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Anzeigenerstatter, dessen Cousin und den kontrollierenden Polizeibeamten aus dem Video. Aus der Akte waren keine Umstände ersichtlich, die auf Seiten der Staatsanwaltschaft ein Abweichen der über 50 Ausschnittsbilder aus dem Video vom Video selbst nahegelegt hätten. Die Lichtbildmappe bildete mithin bis zur Durchführung der Hauptverhandlung das optische Gesamtbild als Spiegel des Inhalts DVD, welches einzig den PKW-Fahrer und dessen Cousin belastete. Eine Betrachtung der DVD erfolgte bis zur Hauptverhandlung weder durch die Staatsanwaltschaft noch durch das Gericht. Die Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte und Organe der Rechtspflege sind noch nicht abgeschlossen. Wählerbeeinflussung? Ich darf doch sehr bitten! Die sequentielle Darstellung eines Handlungsverlaufs durch Stand-Bildfolgen ist ein Mittel der Beweisführung, das gegenüber der ununterbrochenen Darstellung eines Videos eine grundsätzlich andere Verlaufsform beinhalten kann und andere als tatsächliche Kausalverläufe als gegeben hinstellt. Insofern als die Staatsanwaltschaft diesen von der Polizeidienststelle durch die Foto-Reihe dargestellten Kausalverlauf aufgrund Vertrauens in die exakte Ermittlung als zutreffend annahm, könnte durchaus eine Beeinflussung innerhalb der Ermittlungsbehörde angenommen werden, was unterdessen der abschließenden Ermittlung gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft vorbehalten bleibt. Hinzu kommen wechselseitig entlastende und zugleich belastende Aussagen von Beamtinnen und Beamten in der Hauptverhandlung, welche zwar den aus der Akte ersichtlichen Foto-Beweis deckten, der aber von dem schließlichen Video-Beweis diametral entgegengesetzt abwich. Die Annahme der Richtigkeit und Vollständigkeit der Lichtbildmappe und das fehlende Passwort lassen die Annahme zu, dass die DVD zwar physisch vorhanden, aber ermittlungstechnisch als durch die Fotoreihe ersetzt und also praktisch als nicht vorhanden oder den Fotoverlauf urschriftlich bestätigendes Medium unnötig betrachtet wurde. Die abschließende juristische Bewertung hatte und habe ich weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht vorzunehmen. Hiervon zu unterscheiden ist die politische Bewertung des Vorgangs, wie er sich faktisch darstellt (siehe oben). Vielen Dank für Ihr Interesse.