Donnerstag, 11. Juli 2013
TOP 11. Gesetz zur Änderung des Hundegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen
1. Lesung
Block I
Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Ausschussüberweisung
Audiomitschnitt der Rede von Simone Brand
Wortprotokoll zur Rede von Simone Brand
Wenn Sie sich schon einmal mit mir unterhalten haben, haben Sie vielleicht diese Narbe hier bemerkt und vielleicht auch die kleine Narbe hier unten.
(Die Rednerin zeigt auf ihre Narben.)
Es ist noch keine 15 Jahre her, als mir ein Hund ins Gesicht biss. Ich habe Glück gehabt, dass ich mein Augenlicht nicht verloren habe. Im ersten Fall handelte es sich um einen Mit-telschnauzer, im zweiten Fall um einen Hovawart.
Die Hunderasseliste, laut der bei bestimmten Rassen von einer besonderen Gefährlichkeit auszugehen ist, hat sich in den letzten Jahren nicht bewährt. Sie entstand als Folge der schrecklichen Vorkommnisse im Jahr 2000, als es gleich vier tödliche Beißvorfälle gab; da-von drei mit sogenannten Kampfhunden.
Dass daraufhin die Rottweiler zu gefährlichen Kampfhunden gemacht wurden, Labradore aber weiterhin die kuscheligen Familienhunde blieben, soll mir bitte einmal jemand erklären. Nicht die Rassezugehörigkeit, sondern die gezielte Zuchtauswahl der Elterntiere und die nachfolgende Abrichtung eines Hundes auf gesteigerte Aggressivität machen dessen tatsächliche Gefährlichkeit aus.
Hinzu kommen die sogenannten Modehunde – Stichwort: Golden Retriever –, die aufgrund temporärer Überzüchtung vermehrt zu Aggressivität neigen. Folgt man wissenschaftlichen Publikationen, gelten die meisten der im Landeshundegesetz aufgeführten sogenannten ge-fährlichen Hunde als eher gelassene und ruhige Tiere.
Die Argumentation gegen die Rassen begründete sich unter anderem in dem Festbeißreflex und im reißenden Biss mancher Hunderassen. Doch beides hat ein Jagdhund auch, zum Beispiel der Setter, wobei bei den Jagdhunden auch noch der Kehlbiss hinzukommt.
(Zuruf von der SPD: Der was? – Gegenruf von den PIRATEN: Der Biss in den Hals!)
Es ist merkwürdig, dass der Setter nicht in der Hunderasseliste aufgeführt ist.
Vergleicht man die Zahlen der gemeldeten Beißvorfälle in NRW zunächst einmal mit Nie-dersachsen, stellt man fest: Die haben dort gar keine Hunderasseliste. Die Statistik dort weist keine höheren Zahlen auf als die in unserem Land. Dort wird jetzt übrigens ein allge-meiner Hundeführerschein eingeführt, was ich für eine richtig gute Idee halte.
Wenn wir die Berichtergebnisse der Statistik aus den Jahren 2008 bis 2012 betrachten, er-kennen wir: In manchen Jahren fällt die Statistik etwas niedriger aus, in manchen Jahren wieder etwas höher. Im Ganzen hat sich aber nicht viel geändert. Von einem relevanten Rückgang der Beißvorfälle seit 2002 kann keine Rede sein.
Kommen wir nun zu den Menschen und Organisationen, die sich mit der Problematik Tag für Tag auseinanderzusetzen haben: den Tierschutzorganisationen und den Tierheimen. Als ich mit der Leiterin des Bochumer Tierheims über dieses Thema sprach, erzählte sie mir, wie viele Hunde jede Woche nach Beißvorfällen bei ihr landen.
Da die Tierheime nicht verpflichtet sind, diese Beißvorfälle zu melden, wenn keine Strafan-zeige vorliegt, fallen sie schon einmal komplett aus der Statistik heraus. Als ich zu ihr sagte, ich hätte gelesen, jeder siebte Schäferhund sei in einen Beißvorfall verwickelt, lächelte sie müde und sagte: Es sind wohl eher viel mehr.
Was hat die Rasseliste im Landeshundegesetz also gebracht? Wir haben jede Menge Tiere dieser Rassen in überfüllten Tierheimen sitzen, von wo sie kaum eine Chance haben, je wieder ein Herrchen zu finden. Viele Tiere wurden und werden eingeschläfert. Vereinigungen für solche Hunde in Not – wie Pitbulls, Molosser oder Staffordshire – sind wie Pilze aus dem Boden geschossen.Die Prohibitionspolitik hat im Gegenteil zu einem Schwarzmarkt für solche Rassen geführt. Völlig verzüchtete Hunde mit richtigem Gefahrenpotenzial werden unter anderem aus dem Osten eingeschleust. Durch diese kriminellen Strukturen ist die Situation schlimmer gewor-den als vor 2002.
Die 40/20-Regelung ist hingegen ein Ansatz, den wir für äußerst effektiv und wesentlich besser geeignet zur Vermeidung von Unfällen und Beißvorfällen halten.
(Beifall von den PIRATEN)
Man kann ja mit einem Zwanzigtonner im Straßenverkehr auch mehr Schäden anrichten als mit einem Klapprad.
Generell sollte es das Ziel im Sinne des Tierschutzes sein, Sachkunde von allen Hundebe-sitzern zu fordern. Ausgebildete Halter in Kombination mit registrierten verantwortungsvollen Züchtern ist als Zielzustand anzustreben. Verbotspolitik bringt uns hier wie an vielen ande-ren Stellen nicht weiter. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. –