Donnerstag, 20. Juni 2013
TOP 4. Strukturen verändern – Beamtenbesoldung zukunftssicher gestalten
Block II
Direkte Abstimmung
Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
Audiomitschnitt der Rede von Robert Stein
Robert Stein (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Zuschauertribüne und zu Hause! Die Anhörung zur Beamtenbesoldung am Dienstag, die wir jetzt in der Tat in einer Art vorweggenommenen Auswertung besprechen, ergab eindeutig, finanzielle Gründe – sprich: der Hinweis auf die Schuldenbremse – seien als Begründung im aktuellen Gesetzentwurf nicht verfassungskonform, gerade im Hinblick auf die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung bzw. auf die aktuelle Lohnentwicklung, sodass die teilweise Übernahme des Tarifergebnisses für die Beamten in NRW mit dieser Argumentation nicht zu rechtfertigen ist.
Ab A11, spätestens jedoch ab A13 – das ist klar –, weicht der Gesetzentwurf von der generellen Lohnentwicklung deutlich ab. Es liegen derzeit keine besondere konjunkturelle Lage oder andere Gründe vor, die diesen Verzicht ab A11 begründen. Daher fordern wir selbstverständlich die komplette Übernahme des Tarifergebnisses für alle Beamten.
Das jetzige Modell, das von Ihnen unkorrekterweise als „soziale Staffelung“ bezeichnet wird, ist alles andere als sozial. Es bevormundet die Beamten ab A11 in der Weise, dass suggeriert wird, eine Tarifanpassung sei ab dieser Besoldungsstufe nicht mehr in vollem Umfang notwendig. Die Entscheidung für das Beamtentum haben die entsprechenden Personen beim Berufseinstieg bestimmt nicht unter der Prämisse gefällt – das muss man sich auch vergegenwärtigen –, viele Jahre später zum Spielball der gescheiterten Finanzpolitik der rot-grünen Landesregierung zu werden.
Deswegen frage ich hier: Welches Recht nimmt sich eine Regierung heraus, darüber zu urteilen, ab welcher Einkommenshöhe man verzichtfähig sei? – Diese Art der Bevormundung akzeptiere ich nicht.
Die Inflation verhält sich neutral zur Schuldenbremse. Die Zeit der Entbehrung war lang genug. Ein Inflationsausgleich wäre das Mindeste gewesen. Das muss in vollem Umfang kritisiert werden.
Mit dem angebotenen Gesetzentwurf, der in der Anhörung klare und unmissverständliche Reaktionen hervorgerufen hat, kann die rot-grüne Regierung eigentlich nur als personalpolitisch gescheitert betrachtet werden. Es darf für die Beamten keine weitere Abkopplung von der allgemeinen Lohnentwicklung geben. Das greift die CDU in ihrem Antrag auf. Dafür leisten unsere Beamten auch einfach zu viel. Das Engagement und die Motivation dürfen Sie nicht einfach mit Füßen treten. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite, die diesen Antrag betrifft, ist – das muss man hier auch sagen –: Über den Vorschlag der CDU, strukturelle Maßnahmen zu ergreifen, muss natürlich angesichts der Situation der Landesfinanzen diskutiert werden. Allerdings – das kritisiere ich hier – suggeriert der vorgelegte Antrag Stelleneinsparungen nach dem Rasenmäherprinzip. Das ist viel zu allgemein. Der Staat wird gleichmäßig gestutzt, bis er nicht mehr handlungsfähig ist. Das ist einfach viel zu unkonkret.
Aufgrund der demografischen Entwicklung ist ein entsprechender Stellenabbau in Teilbereichen durchaus sinnvoll. Aber beispielsweise in den Bereichen Schule oder Finanzverwaltung – hoffentlich bin ich nicht der Einzige, der das findet – ist das der falsche Weg.
Der inklusive Weg, den NRW gehen muss und wird, kann adäquat nur gegangen werden, wenn ausreichend Personal, letzten Endes unabhängig davon, ob verbeamtet oder nicht, für die anfallenden Aufgaben zur Verfügung steht. Leidet die Bildung unter überehrgeizigen Prestigeprojekten einzelner Politiker, leiden in relativ ferner Zukunft die Volkswirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes. Inklusive Bildung funktioniert nur dann, wenn es ausreichendes Personal für diese wichtige Aufgabe gibt.
Herr Lehmann von der Deutschen Steuergewerkschaft betonte in der Anhörung am vergangenen Dienstag außerdem, die Finanzverwaltung schöpfe ihr Potenzial nur zu gut 85 % aus. Er hat gesagt, es bleibe eine Menge Geld liegen. Dies war ein deutliches Signal dafür, dass in der Finanzverwaltung Optimierungsmöglichkeiten vorhanden sind, die durch mehr Personal ausgeschöpft werden.
Ähnlich sieht es Herr Eigenthaler von der Deutschen Steuergewerkschaft – er hat sich im Deutschlandfunk eindeutig dazu geäußert –, der wiederholt auf die Tatsache verwiesen hat, dass die Betriebsprüfungen in Deutschland ausbaufähig seien. Das nützt zu guter Letzt dem Fiskus. Der jetzige Weg, über den höchst fragwürdigen Ankauf von Steuer-CDs, die mit krimineller Energie in befreundeten Staaten beschafft wurden, Kommissar Zufall regieren zu lassen, ist ein deutliches Beispiel für eine nicht erreichte Steuergerechtigkeit. Angesichts der Medienberichte über die Nichtbearbeitung von Selbstanzeigen kann die rot-grüne Finanzpolitik übrigens auch in dieser Hinsicht als vollkommen gescheitert betrachtet werden.
Dem Antrag können wir hier leider nicht so zustimmen, wie er gestellt wurde, obgleich wir über strukturelle Potenziale diskutieren müssen. Das sehen wir ein. Ich empfehle eine Ablehnung, da er in der jetzigen Form, wie es schon Frau Gebhard angedeutet hat, viel zu allgemein und dadurch zu weitgehend ist. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den PIRATEN)