Mittwoch, 15. Mai 2013
TOP 10. Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen
Robert Stein (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream! Unter lautstarkem Protest will Rot-Grün heute diesen Gesetzesentwurf, der eindeutig gegen Ihre Bediensteten gerichtet ist, behandeln. Mit dem vorliegenden Entwurf erfolgt auch ein klares Statement zur Wertschätzung, die diese Landesregierung samt der Regierungsfraktionen den Tarifbeschäftigten und Landesbeamten gegenüber pflegt, insbesondere denen in den Tarifgruppen A 11 und höher.
Ich sage hier ganz deutlich: Sie lassen Ihre Bediensteten im Regen stehen, obwohl Sie eindeutig und unmissverständlich noch kurz vor der Neuwahl versichert haben, dass die Zeiten des Verzichtes vorüber sein sollen. So geht man nicht mit seinen Bediensteten um!
(Beifall von den PIRATEN)
Ich konfrontiere Sie jetzt sehr bewusst mit zwei Beispielen, um deutlich zu machen, wie es um Ihre Glaubwürdigkeit bei diesem Thema bestellt ist:
Hannelore Kraft – ich glaube, sie hat den Saal schon wieder verlassen – …
(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft [von einem Abgeordnetenplatz aus rufend]: Ich sitze hier!)
– Oh, schön, Frau Kraft. Von da aus dürfen Sie auch gerne dazwischenrufen. Das hat Herr Lohn gerade schon zu Recht moniert. Ich freue mich auf die Interaktion.
Hannelore Kraft richtete Folgendes an den Deutschen Beamtenbund – ich zitiere mit Erlaubnis –:
„Ich kann Ihnen aber versichern, dass die Landesregierung keine weiteren Einschnitte bei der Beamtenschaft plant.“
Waren das Ihre Worte, Frau Kraft? Waren das Ihre Worte? – Das waren sie wohl.
Den ehemaligen Kämmerer aus Köln, Finanzminister Norbert Walter-Borjans, kann ich – mit Erlaubnis des Präsidiums – wie folgt zitieren:
„Sie wissen, dass die Landesregierung bereits mehrfach verkündet hat, Beamte, Richter und Staatsanwälte … nicht weiter von der Lohnentwicklung abzukoppeln.“
Das waren doch auch Ihre Worte, Herr Finanzminister, ist das richtig?
(Zuruf von der SPD: Wie tief sind die Piraten eigentlich gesunken?)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter. Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmeltzer zulassen?
Robert Stein (PIRATEN): Nein.
(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)
– Sie können dann ja gleich die Kurzintervention wählen. – Vorsichtig ausgedrückt haben Sie beide hier stellvertretend für die gesamte rot-grüne Landesregierung Wortbruch gegenüber den Landesbediensteten, gegenüber der Beamtenschaft begangen. Das muss betont werden. So kann man sich im Vorfeld der Wahl einen Wahlsieg – so erdrutschartig er erschienen haben mag – erschummeln.
Hießen Sie Pinocchio, wären Ihre Nasen Hunderte Meter lang. Und wäre Pinocchios Nase so breit wie lang, dann müssten die vielen betroffenen Beamten und Landesangestellten jetzt wenigstens nicht im Regen stehen. So geht man nicht mit seinen Angestellten im Lande um!
(Beifall von den PIRATEN)
Ihre Art zu handeln ist eine Art, die Verdruss und Demotivation hervorruft, und zwar auf dem Rücken derer, die die wichtigen Aufgaben dieses Landes und dieses Staates schultern und meistern, und das trotz der viel zu hohen Arbeitslast, die sie bei dem ausgeprägten Personalmangel zu bewältigen haben. Diese enttäuschen Sie jetzt so schwer.
Erklären Sie doch einmal ausführlich, Herr Finanzminister, warum eigentlich kein Geld zumindest für den Inflationsausgleich vorhanden sein soll. Wo soll es denn bitte sehr fehlen? Kein Geld wegen der Schuldenbremse, wie Frau Kraft neulich, glaube ich, noch in Duisburg gesagt hat – heute Vormittag lief dazu ein Beitrag im Deutschlandfunk –, die erst 2020 greift? Papperlapapp, sage ich da.
(Lachen von der SPD)
Unser HFA-Team hat nämlich errechnet – ich sage Ihnen jetzt warum –, dass in der Zeit von 2001 bis 2011 die Staatseinnahmen um satte 29 % gestiegen sind. Jetzt raten Sie mal, wie hoch die Inflation in diesem Zeitraum war. Die hat nämlich nur 16 % betragen. Und da soll kein Inflationsausgleich drin sein? Wo fehlt denn bitte sehr das Geld, mit dem Sie den Angestellten den Inflationsausgleich verwehren? Da müssen Sie schon bessere Antworten liefern, als nur die „Schuldenbremse 2020“ wie ein Damoklesschwert zu schwingen.
Jetzt muss ich Sie noch ein wenig belehren:
(Lachen und Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)
– Sie können das mit Ihrer Arroganz hier abtun, weil Sie die Mehrheit haben; doch deshalb wird das Ganze nicht wahrer. – Die Inflation verhält sich neutral zur Schuldenbremse. Insofern ist Ihr Argument gar keines. Wenn man das Ganze um die Konjunktur und um Sondereffekte bereinigt, dann steigen die Staatseinnahmen natürlich im selben Maße wie die Inflation.
Wenn man dann berücksichtigt, dass es auch in der übrigen Wirtschaft eine entsprechende Lohnentwicklung gibt, und wir es außerdem noch mit der kalten Progression zu tun haben, die oft zitiert wird, dann müssen wir unter dem Strich sogar noch von einem positiven Effekt für die Staatseinnahmen durch die Inflation ausgehen. Ihr Argument ist hiermit eindeutig entkräftet; es ist schlichtweg falsch.
Ich kann Ihnen aber sagen, wo das Problem liegt: Sie gehen nicht verantwortungsvoll mit den Steuergeldern der vielen ehrlichen und fleißigen Bürgerinnen und Bürger und Beamten in unserem schönen Lande um. Deswegen müssen Sie hier einfach eingestehen, dass ein Inflationsausgleich zu gewähren ist.
Die Landesregierung hat es schon wiederholt bewiesen, wie sie mit den Steuergeldern umgeht. Sie behauptet, es sei kein Geld da. Für andere marode Geschichten wie für die WestLB ist allerdings Geld in Milliardenhöhe da. Das kritisieren wir weiterhin. Da hat Herr Borjans schlecht verhandelt; das betone ich nochmals. Auch das wird auf dem Rücken der Steuerzahler ausgetragen.
(Zuruf von der SPD)
Dazu zählen die Beamten natürlich auch. Das können wir nicht gutheißen. Alles soll immer alternativlos sein; wahrscheinlich war Ihr „Verhandlungsgeschick“, Herr Finanzminister, damals auch alternativlos. Danke sehr dafür an dieser Stelle.
Jetzt erfolgt dieser Wortbruch bei den Landesbediensteten. Ich bin mir sicher, die Quittung für Ihre unseriöse Politik, für Ihren Wortbruch wird es im Spätsommer geben.
(Zurufe von der SPD)
Halten wir fest: Die vielen fleißigen Landesangestellten und Beamten bieten einwandfreie Leistungen an. Das Mindeste, was sie dafür erwarten können, ist eine faire Bezahlung. Die Statistiken zeigen übrigens, dass es auch anders geht, zum Beispiel in Hessen und in Bayern oder auch im Bund. Dort wird deutlich besser entlohnt.
Ich sage Ihnen ganz klar: Wir Piraten schätzen die Leistungsbereitschaft der Bediensteten und Beamten im Land.
(Zuruf von der SPD: Sie nutzen die auch intensiv!)
Wir werden das auch in Zukunft zu schätzen wissen.
(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Das ist aber noch nicht alles; es geht ja noch weiter.
(Zurufe von der SPD)
Die rot-grüne Landesregierung sieht sich, wie in der „Rheinischen Post“ von gestern zu lesen war, mit einer möglichen Klage der NRW-Richter gegen Frau Kraft konfrontiert. Das haben Sie sicherlich auch gelesen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Sie haben Ihre Angestellten, die Landesangestellten, die Bediensteten des Landes so sehr verärgert, dass diese sogar in Erwägung ziehen, gegen Sie zu klagen! Ich gehe einmal davon aus, dass die wissen, was sie tun. Eine viel größere Eiszeit zwischen Angestellten und Arbeitgebern kann ich mir gar nicht vorstellen, Frau Kraft.
In all Ihrer Ideenlosigkeit, die zu dieser fatalen Situation geführt hat, setzen Sie auf einen Mix aus Quasi-Nullrunden oder einen Verzicht auf Inflationsanpassung hier im Land. Dazu kommt noch die atemberaubende Steuererhöhung im Bund, die Sie vorhaben, um einen tragfähigen Haushalt zu präsentieren.
Da muss ich schon sagen: Die von Ihnen geplanten Steuererhöhungen treffen genau diejenigen ins Mark, die Sie jetzt leer ausgehen lassen wollen. Das geht alles nach dem Motto: Die Masse kann sich eh nicht wehren. – Das halte ich schlichtweg für falsch. Dieser Mix ist nicht korrekt.
(Unruhe)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigen Sie bitte, Herr Abgeordneter. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf doch bitten, dem Redner so zuzuhören, dass wir der Debatte gemeinsam folgen können.
(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)
Robert Stein (PIRATEN): Das mag Ihnen alles nicht passen. Dafür habe ich vollstes Verständnis. Aber sprechen Sie mit den Menschen draußen! Ich habe es gerade getan. Die Stimmung ist eindeutig.
Ihre Argumente sind einfach falsch. Sie werden nicht besser dadurch, dass Sie hier einfach nur wild herumschreien.
(Beifall von den PIRATEN)
Was Sie planen – das ist ein Zitat, das ich von draußen mitgebracht habe –, ist nichts anderes als eine Enteignung der Beamtenschaft, der Landesbediensteten. Diese Enteignung wollen Sie noch befeuern durch die Steuererhöhungen, die Sie jetzt im Bund vorhaben.
(Zurufe von der SPD)
Man muss sich doch sagen: Es ist ideen- und verantwortungslos, dass Sie über diesen Weg versuchen, einen tragfähigen Haushalt auf die Beine zu stellen. Nehmen wir einmal die Unternehmenssteuerreform, die Rot-Grün vor zehn Jahren im Bund angestoßen hat: Sagt Ihnen das Wort „Dividendenstripping“ etwas? In deutschen Banken war es dadurch bis heute möglich, dem Fiskus bei Leerverkäufen von Aktien über 12 Milliarden € vorzuenthalten.
Das ist Geld, das heute fehlt. Mit diesem Geld – nicht nur hier; es gibt ja noch mehrere Schlupflöcher – könnte problemlos ein Tarifabschluss eins zu eins erfolgen. Ihre Antwort darauf ist allerdings wieder – ich betone es noch einmal – einfach verantwortungs- und ideenlos.
Sie wollen die Steuererhöhungen auf dem Rücken der Bürger austragen und nicht auf dem Rücken derjenigen, die die Steuerschlupflöcher ausnutzen. Das Geld könnte da sein. Auch das sind Mängel, die Sie im Bund mit zu verantworten hatten.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abgeordneter.
Robert Stein (PIRATEN): Ich komme zum Ende. – Sie haben bis jetzt leider sehr ideenlos und verantwortungslos agiert. Ich hoffe, dass wir in den Beratungen doch noch zu einem anderen Ergebnis kommen. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Peinlich, peinlich!)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Bitte bleiben Sie noch einen Moment hier. Denn Herr Kollege Schmeltzer hat Ihre freundliche Einladung zu einer Kurzintervention angenommen
(Robert Stein [PIRATEN]: Ich freue mich!)
und bekommt für 90 Sekunden das Wort. Herr Kollege Schmeltzer.
Rainer Schmeltzer (SPD): Lieber Herr Kollege Stein, vielen Dank dafür. – Sie haben selber darauf hingewiesen, nach Ihrem Wortbeitrag heute wundert mich die mediale Darstellung des Chaos der Piraten nicht. Wer zu dem Thema „Beamtenbesoldung“ spricht und bis heute nicht zwischen Tarifabschlüssen und Übertragung von Beamtenbesoldung differenzieren kann, wer bis heute nicht zwischen Angestellten und Beamten unterscheiden kann,
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
wer Zitate aus einem Schreiben bringt und dabei wissentlich versäumt, den Betreff anzugeben – das Schreiben von Ministerpräsidentin Kraft, aus dem Sie zitiert haben, betrifft ausschließlich das Weihnachtsgeld –, wer hier so verfälscht und dann behauptet, er würde mit den Menschen draußen reden und ihre Meinung wiedergeben, zeigt, dass er von Finanzpolitik und von dieser Art der Politik keine Ahnung hat.
(Beifall von der SPD)
Wenn Sie von anderen Bundesländern reden, möchte ich, dass Sie einmal nachlesen, welche Bundesländer in welcher Tausender- Größenordnung Personalabbau planen und durchsetzen werden. Wenn Sie das getan haben, werden Sie ganz schnell in der Realität ankommen, dass es mit uns Personalabbau, Arbeitsverdichtung nicht gibt und bei uns die Beschäftigungssicherung deutlich an erster Stelle steht.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Robert Stein (PIRATEN): Lieber Kollege Schmeltzer, Sie – nicht Sie persönlich, sondern die Landesregierung – haben diesen Vorschlag erarbeitet. Die Landesregierung bringt in dieser Debatte Argumente, die schlichtweg falsch sind. Sie führt die Schuldenbremse als Grund an. Ich habe das gerade im Detail ausgeführt. Sie bleiben mir eindeutig Antworten schuldig. Ich möchte gerne wissen, wohin die Mehreinnahmen geflossen sind. Warum ist kein Geld da, um den Inflationsausgleich zu gewähren?
(Zuruf von der SPD)
– Ich will die Antwort von Ihnen hören und sie nicht selbst geben, warum Sie trotz der überproportional gestiegenen Steuereinnahmen, die über der Inflationsrate liegen, nicht in der Lage sind, den Landesbediensteten einen Inflationsausgleich zu gewähren.
(Vereinzelt Beifall von der CDU)
Ich muss Sie weiterhin kritisieren. Ich bin der Auffassung, wir sollten den vielen fleißigen Landesbediensteten den Inflationsausgleich doch gewähren. Der Inflationsausgleich muss flächendeckend gewährleistet sein. – Danke sehr.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: So weit die Kurzintervention und die Entgegnung des Abgeordneten, der angesprochen war. –