Veröffentlicht am von in Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden, Reden.

Mittwoch, 24. April 2013

TOP 1.    A k t u e l l e  S t u n d e

Fall Hoeneß bestätigt: Ablehnung Steuerabkommen war und bleibt richtiger Weg für Durchsetzung von Steuerehrlichkeit

auf Antrag der Fraktion der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Unsere 1. Redner : Robert Stein

Das Wortprotokoll zur Rede von Robert Stein:

Robert Stein (PIRATEN): Wertes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer hier auf der Tribüne! Liebe Menschen im Stream! Um es gleich vorwegzunehmen – wir haben das hier heute schon in eigentlich allen Redebeiträgen gehört –: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Steuerhinterziehung ist eine Straftat und gehört rigoros verfolgt.

Insofern ist der Fall Hoeneß nicht so einfach zu entschuldigen. Dass er Steuern hinterzogen hat, davon müssen wir nun ausgehen, wenn die Medienberichte stimmen. Er hat ja umgehend bereitwillig Steuern in Millionenhöhe nachgezahlt. Insofern gibt es dort auch klare Indizien.

Wer jetzt aber behauptet, es sei gut, dass das Steuerabkommen mit der Schweiz gescheitert sei, der sollte zumindest zur Kenntnis nehmen, dass die Nachzahlung im Fall eines existierenden Steuerabkommens, wie es von der Bundesregierung vorgeschlagen worden ist, viel höher ausgefallen wäre, als nun geschehen.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Wem es also ehrlicherweise um die Staatseinnahmen geht, der sollte dieses Thema nicht hämisch populistisch für den Wahlkampf ausschlachten.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Ich zitiere aus dem Antrag:

„Der Fall Hoeneß zeigt, anonymisierte Pauschalamnestien gegen Abschlagszahlungen sind und bleiben der falsche Weg …“

Diese Annahme bleibt zunächst unabhängig davon, ob wir das schlecht oder gut finden, jeden Beweis schuldig. Ein Steuerabkommen mit der Schweiz würde alle Schwarzgeldkonten und alle legalen Konten gleichermaßen betreffen – ohne Ausnahme. Im jetzigen Zustand trifft es hingegen mal den einen, mal den anderen. Herr Witzel hat es gerade „Kommissar Zufall“ genannt. Mit Steuergerechtigkeit hat das meiner Meinung nach nun wirklich nicht viel zu tun.

Daher fordere ich, dass man sich nun wirklich um ein neues Steuerabkommen bemüht, gerne mit nicht anonymisierten Nachzahlverfahren, am besten auf gesamteuropäischer Ebene – das würde auch der Schweizer Botschafter, Herr Guldimann, gerne sehen –, um dem Fiskus ein bestmögliches Ergebnis zu verschaffen.

Öffentlichkeitswirksame Pranger, Scheiterhaufen 2.0, Belohnung von Denunziantentum, wie wir es hier gerade erleben – das alles halte ich persönlich für den absolut falschen Weg.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Auch das sei hier noch einmal klargestellt: Steuerhinterziehung muss selbstverständlich verfolgt und verhindert werden, und zwar rigoros. Klar ist jedoch auch, dass Uli Hoeneß dieselben Rechte hat wie jeder andere Bürger.

Zumindest mir – ich hoffe, nicht nur mir – drängt sich die Frage auf, wie die Causa Hoeneß überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, dass Herr Hoeneß diese Information freiwillig an die Presse weitergegeben hat. Wo bliebe in diesem Fall das Recht auf informationelle Selbstbestimmung? Wo ziehen Regierungen bei schützenswerten Interessen auch potenzieller Straftäter und Steuerhinterzieher die Grenzen? Hoeneß könnte doch gleichermaßen bestraft werden, ohne dass seine Causa öffentlich ausgeschlachtet wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich überhaupt nicht verheimlichen, dass wir schon damals bei den Steuer-CD-Ankäufen vor fehlendem Datenschutz gewarnt haben. Jetzt zeigt sich unabhängig davon, ob Hoeneß-Daten auf einer CD sind oder nicht, dass in der Folge eines gescheiterten Steuerabkommens weiterhin der Weg der strafbefreienden Selbstanzeige gewählt wird und der Schutz der persönlichen Daten nicht gewährleistet ist. Das haben wir kritisiert.

(Beifall von den PIRATEN)

Daher möchte ich einfach mal untersucht wissen, wie diese Information von wem an die Öffentlichkeit getragen worden ist. Vielleicht erfahren wir dazu ja noch mehr.

Datenschutz ist ein hohes Gut. Dafür stehen wir ein. Es ist absolut ernst zu nehmen, auch wenn es in dieser polemischen Debatte zum vorliegenden Fall unpopulär sein mag.

Ein bisschen Polemik kann ich aber auch. Stellen wir doch auch mal fest, dass sich Peer Steinbrück in seiner Zeit als Bundesfinanzminister höchstpersönlich von Hoeneß hat beraten lassen. Das haben wir ja gerade auch schon gehört.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Laut Steinbrück-Sprecher – das war den Medien zu entnehmen – ging es dabei aber gar nicht um Steuer- oder Finanzangelegenheiten. Aha! Der Bundesfinanzminister lässt sich in seinem Ressort von Uli Hoeneß, dem potenziellen Steuerhinterzieher, beraten – aber es geht nicht um die Themengebiete seines Ressorts.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Da war er kein potenzieller Steuerhinterzieher!)

– Ja nun, aber heute ist es so. Er hat da aufs falsche Pferd gesetzt; so ist es nämlich. Auch mit seiner Kavallerie hat er aufs falsche Pferd gesetzt. Sein Motto ist wahrscheinlich: Regieren mit Tieren.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Oder wie müssen wir das verstehen, wenn die Kavallerie hier einreiten soll?

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Das, Frau Kraft, hatten wir schon mal.

(Beifall von den PIRATEN)

Lassen Sie mich das bitte zu Ende bringen.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Worum ging es denn dann in den Gesprächen? Da bleibt Herr Steinbrück Antworten schuldig. Es scheint mir auch wenig glaubwürdig, wenn man jetzt erfährt, worüber da nicht beraten worden ist. Das ist auch gar nicht die Frage. Die Frage ist doch: Worüber wurde beraten? – Da muss Peer Steinbrück Antworten liefern.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Was für ein Schwachsinn!)

Höchst interessant ist ja auch der Umstand, dass Uli Hoeneß, wie wir regelmäßig aus Talkshows und Interviews erfahren dürfen, nicht gerade zu denen gehört, die sich für mehr Staat einsetzen, sondern eher für weniger. Das liegt wohl auch an seiner unternehmerischen Expertise. Das möchte ich hier jetzt auch nicht politisch bewerten.

Aber das Wahlprogramm der SPD – da kommen wir doch nicht drum herum – mit Steinbrück an der Spitze, das jetzt gerade vorliegt, fordert doch deutlich mehr Staat.

Jetzt müssen wir noch mal festhalten: Der Bundesfinanzminister seinerzeit ließ sich also von einem natürlich erst heute bekannten potenziellen Steuerhinterzieher, der für weniger Staat eintritt, beraten. Und eine Legislaturperiode später tritt dieser Bundesfinanzminister als Kanzlerkandidat für eine Partei an, die mehr Staat fordert. Das geht für mich einfach nicht zusammen. Das ist nicht glaubwürdig. Da sieht man, dass Ihr Kanzlerkandidat schlichtweg ein Wendehals ist.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Zuletzt müssen wir auch mal ganz deutlich betonen: Peer Steinbrück saß doch jahrelang da, wo man die Steuergesetzgebung hätte beeinflussen können. Warum hat er es denn damals nicht getan?

(Beifall von der CDU)

Dass Sie heute mit dieser Debatte auftauchen, das ist pure Polemik, das ist purer Populismus.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Jetzt will ich meinen polemischen Teil hier an dieser Stelle aber auch beenden. Ich habe ja gesagt, dass ich das durchaus polemisch meine. Damit müssen Sie jetzt einfach leben.

Ich möchte zu guter Letzt resümieren: Steuerhinterziehung ist und bleibt kein Kavaliersdelikt und muss rigoros geahndet werden. Die Ausschlachtung als populistisches Wahlkampfthema lehne ich im Prinzip ab. Das Recht auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung muss gewahrt bleiben. Die Causa Hoeneß erfährt auch ohne Öffentlichkeit in einem funktionierenden Rechtsstaat Gerechtigkeit. Dafür brauchen wir nicht diese mediale Ausschlachtung, auch nicht forciert im Wahlkampf durch Ihre Parteien.

(Beifall von der CDU)

Der Scheiterhaufen 2.0, das ist das, was ich hier ablehne. Lassen Sie uns in NRW bitte über ein neues Steuerabkommen diskutieren. Das sei abschließend gesagt: Wir Piraten haben das nach dem Scheitern des alten Steuerabkommens schon lange gefordert. – Danke sehr.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Für die Landesregierung spricht der Finanzminister, Herr Dr. Walter-Borjans.

 

 

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