Mittwoch, 24. April 2013
TOP 1. A k t u e l l e S t u n d e
Fall Hoeneß bestätigt: Ablehnung Steuerabkommen war und bleibt richtiger Weg für Durchsetzung von Steuerehrlichkeit
Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause am Stream oder wo auch immer! Herr Kollege Mostofizadeh, wir sind schon aufgewacht. Das glauben Sie mal!
Das, was Herr Kollege Stein hier eben vorgetragen hat, zeugt deutlich von Wachheit. Dies muss man insbesondere deshalb betonen, weil – wie hier von Herrn Finanzminister kritisiert – angeblich nicht klar wäre, wofür wir stehen. Wir stehen für Transparenz und Veröffentlichung dann, wenn der Persönlichkeitsschutz gleichwohl gewahrt bleibt! Das ist der ganz entscheidende Punkt. Da wird nicht herumgeeiert – veröffentlichen ja oder veröffentlichen nein –; wir müssen vielmehr immer schauen, was veröffentlicht und wann es veröffentlicht wird.
Eines steht jedenfalls fest: Sie, Herr Finanzminister, sind doch derjenige, der immer wieder betont, dass es in Deutschland ein Steuergeheimnis gibt. – Jawohl!
Dieses Steuergeheimnis wird möglicherweise an einigen Stellen überwunden, aber dann freiwillig von denjenigen, die, wie Herr Hoeneß, eine Selbstanzeige starten und dann bestimmte Äußerungen in der Öffentlichkeit machen. Wie er dann mit der Öffentlichkeit klarkommt, muss natürlich jeder selber sehen. Aber dass die Öffentlichmachung nicht von staatlicher Seite erfolgt, ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit.
Gerade Sie sind doch derjenige, der immer wieder betont, dass aus Steuer-CDs stammende Daten und etwaige Ermittlungsverfahren oder Besteuerungsverfahren selbstverständlich ebenfalls dem Steuergeheimnis unterliegen.
Insofern frage ich mich ernsthaft: Was machen wir hier eigentlich? Wir zerren hier einen wie auch immer veröffentlichten – eventuell vom Betroffenen selbst veröffentlichten – Fall durch das Parlament vor dem Hintergrund einer Geschichtsbewältigung bezüglich eines Steuerabkommens, das bereits abgelehnt ist. 70 % der Plenardebatte heute dreht sich um das Steuerabkommen, das abgelehnt ist.
Wofür steht also das abgelehnte Steuerabkommen?
(Minister Dr. Norbert Walter-Borjans: Besser machen!)
– Besser machen – jawohl, Herr Minister. Danke schön, dass Sie es sagen. Ich finde es auch sehr begrüßenswert, dass Sie ein Symposium in Brüssel durchführen, auf dem darüber beraten und besprochen werden soll, wie ein Steuerabkommen auf europäischer Ebene eingeführt werden kann. Auch das war eine meiner Forderungen in einer meiner ersten Reden, als es um Steuerabkommen ging. Da habe ich gesagt, es nützt uns überhaupt nichts, auf der einen Seite das Steuerabkommen bilateral zu besprechen und zu verteufeln, während wir es auf der anderen Seite versäumen, europäisch bzw. international auf die Bühne zu treten. Definitiv!
(Beifall von den PIRATEN)
Um noch einmal zu Transparenz und Veröffentlichung zurückzukommen: Transparenz und Veröffentlichung sollten nicht für den Gedanken herhalten, wir könnten Gesetze einfach mal so ändern. So höre ich Kritik an der Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige und Forderungen danach, das Recht insofern zu ändern; ein Recht und jahrzehntelanges Instrument, welches insbesondere vielen Kleinunternehmen, vielen Mittelständlern geholfen hat, eben nicht in den Knast zu wandern, weil möglicherweise ein Buchhalter, dem man vertraut hat, die Zahlen nicht richtig aufgeschrieben und dann etwa über zwei, drei, vier oder fünf Jahre mit diesem Irrtum behaftete und somit falsche Steuererklärungen erstellt hat, was selbstverständlich auch, würde es nachträglich zum Beispiel einem Steuerberater auffallen, strafbar gewesen wäre. Der Mittelständler könnte sich natürlich auf Nichtwissen berufen, doch das schützt denjenigen, der dies tut, nicht. Denn auch gerade im Steuerrecht gilt der Grundsatz: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Dazu gehört selbstverständlich auch die ordnungsgemäße Deklaration von Umsätzen, Einnahmen, Ausgaben etc.
Wer hier also fordert, dass die strafbefreiende Selbstanzeige vom Erdboden verschwindet, den muss ich fragen: Wo kommen wir denn da hin? Wo bleibt denn da die Rechtsstaatlichkeit?
Dazu muss man, bitte schön, ergänzend auch betonen: Diese Selbstanzeige ist ein außerordentlich kompliziertes Instrument, das der Steuerbürger in der Regel überhaupt nicht alleine durchzuführen in der Lage ist. Dazu braucht er einen Steuerberater, dazu braucht er Fachleute, und in den seltensten Fällen klappt das nämlich mit der Selbstanzeige im Hinblick auf die Strafbefreiung.
Auch bei Herrn Hoeneß scheint es da einige Schwierigkeiten gegeben zu haben, sonst wäre, unabhängig von dem Haftgrund der Fluchtgefahr, nicht so ohne Weiteres ein Haftbefehl erlassen worden. Das ist ja auch noch in der Diskussion. Lassen wir doch den Fall Hoeneß einfach von den Behörden und von den Gerichten beurteilen und nicht von uns Politikern im Saal und anderswo! Das ist nicht unsere Aufgabe.
Unsere Aufgabe ist es, Gesetze zu machen, Gesetze zu bewerten, gegebenenfalls zu ändern. Dazu sind wir in NRW unter anderem insofern in der Lage, als wir Initiativen beim Bund starten können. Das betrifft natürlich auch die Steuergesetzgebung. Und das betrifft selbstverständlich auch ein Steuerabkommen auf internationaler Ebene. Daran sind wir Piraten vor allem vor dem Hintergrund des Interesses an Transparenz und Offenlegung bestimmter Dinge, auch steuerlicher Fakten und Zusammenhänge, absolut interessiert. – Danke schön.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Herr Minister Walter-Borjans, bitte.