Donnerstag, 21. März 2013
TOP 2. Abschlussbericht der Enquetekommission
Wohnungswirtschaftlicher Wandel und Neue Finanzinvestoren auf den Wohnungsmärkten in NRW
(Enquetekommission I)
Audiomitschnitt der Rede von Olaf Wegner
Videomitschnitt der Rede von Olaf Wegner
Das Wortprotokoll zur Rede von Olaf Wegner
Olaf Wegner (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen am Stream und auf der Tribüne! Die Piratenfraktion hat die Arbeit der En-quetekommission nur das letzte halbe Jahr begleiten können. Viele Verabredungen wurden vorher getroffen, auf den inhaltlichen Fahrplan konnten wir somit keinen großen Einfluss mehr nehmen. Dennoch meine ich, dass sich unsere Fraktion in die abschließende Arbeit der Kommission produktiv und an vielen Stellen auch initiativ mit eigenen Vorschlägen ein-gebracht hat.
(Beifall von den PIRATEN)
Das erkennen Sie auch an unserem heute vorliegenden Entschließungsantrag, der die Vorschläge der Enquetekommission um einige, wie wir finden, wichtige Punkte ergänzt und konkretisiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind froh, dass es der Kommission weitgehend gelungen ist, den heute vorliegenden Bericht in der knappen Zeit zu verfassen. Deshalb möchten wir uns an dieser Stelle noch einmal bei allen Beteiligten, insbesondere den Sachverständigen, herzlichst für ihre Mitarbeit bedanken.
Wir sind froh, dass es am Ende immerhin gelungen ist, dass sich vier Fraktionen auf gemeinsame Handlungsempfehlungen einigen konnten. Leider war es den Kollegen der CDU-Fraktion nicht möglich, diese Empfehlungen in Gänze mitzutragen, obwohl sie – darum haben wir lange gerungen – oftmals nur als Prüfaufträge, also mit offenem Ergebnis, formuliert sind.
Als Piraten müssen wir an der einen oder anderen Stelle aber auch Kritik üben. Das fängt mit der nichtöffentlichen Arbeitsweise der Enquetekommission an. Wir verstehen vielleicht noch, dass in einigen Fällen die Nichtöffentlichkeit von Sitzungen die Voraussetzung für ver-trauliche Gespräche ist. Wir können auch noch nachvollziehen, dass die Atmosphäre in nichtöffentlichen Sitzungen unter Umständen kollegialer und produktiver sein kann. Unser Verständnis hört aber dann auf, wenn interne Gutachten, die offensichtlich an eine Teilöffentlichkeit gelangt sind – so ist es in mehr als einem Fall passiert –, trotzdem weiterhin unter Verschluss gehalten werden.
(Beifall von den PIRATEN)
Das ist weder nichtöffentlich noch transparent noch produktiv, sondern völlig willkürlich und nicht nachvollziehbar.
Der zweite Kritikpunkt betrifft den kurzen Zeitraum, der für den Abschluss der Kommission zur Verfügung stand. Denn schon am Anfang des Jahres war absehbar: Die Enquetekommission braucht mehr Zeit. Den Berichtstext zu erstellen und abschließend zu bewerten, war kaum noch möglich. Wir hätten heute einen noch besseren Bericht vorliegen, hätten wir einige Wochen mehr Bearbeitungszeit gehabt.
Nicht zuletzt deshalb – und das ist doch das Bedauernswerte an der Sache – konnte die Kommission zahlreiche Handlungsmöglichkeiten nicht abschließend bewerten. Es wäre mehr drin gewesen. Aber hier wurde am falschen Ende gespart.
(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])
Wir haben daher die Konsequenz gezogen und ergänzende und konkretisierende Punkte in einem Entschließungsantrag formuliert. Ich möchte dazu betonen: Es handelt sich aus-schließlich um Vorschläge, die in der Kommission diskutiert wurden und von denen sich viele in den konsensualen Empfehlungen der Sachverständigen wiederfinden. Wir hoffen deshalb, dass der Antrag Ihre Zustimmung finden wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Piraten ist klar: Jetzt muss es darum gehen, die gu-ten Anregungen der Enquete umzusetzen; denn es ist dringender denn je, für bezahlbaren menschenwürdigen Wohnraum in Nordrhein-Westfalen zu sorgen. Die Probleme werden immer drängender. Auch das ist eine Erkenntnis unserer Arbeit. Die Mieten steigen vielerorts wieder stark an. Andererseits verfallen Wohnungen, weil sie nicht instand gehalten werden.
Derzeit strömen – der Finanzkrise sei gedankt – wieder zahlreiche Investoren auf die deutschen Wohnungsmärkte. Viele davon versuchen sich wieder einmal an spekulativen Geschäftsmodellen, die zahlreiche Probleme mit sich bringen, vor allem für die Mieter.
Eines hat sich für uns während der Enquetearbeit deutlich gezeigt: Wir brauchen verantwor-tungsvolle Wohnungseigentümer. Wir brauchen eine soziale und nachhaltige Wohnungswirtschaft. Was wir nicht brauchen, sind Profitmaximierer mit wenig Ahnung von der Sache, aber umso höheren Renditeerwartungen.
(Beifall von den PIRATEN und Jochen Ott [SPD])
Um es einfach auszudrücken: Wohnungen dürfen kein Spielball für die Finanzmärkte sein.
Wir meinen: Dieses grundlegende Problem braucht grundlegende Lösungen. Die Deregulierung und Privatisierung der letzten Jahrzehnte auf den Wohnungsmärkten waren oftmals ein Fehler. Die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit war ein Fehler. Deshalb müssen wir die Initiative für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit ergreifen. Aus Fehlern muss man lernen, auch aus denen der alten Gemeinnützigkeitsregelungen.
Eine neue Grundlage für eine nachhaltige, sozial orientierte Wohnungswirtschaft ist notwendig. Sie muss jetzt angegangen werden. Entscheidend ist dabei aus unserer Sicht, dass gemeinnützige Trägerstrukturen da, wo sie vorhanden sind, gestärkt werden und dort, wo sie fehlen, aufgebaut werden.
Unserer Meinung nach können und sollten Genossenschaften hier eine wichtige Rolle spi-len – ebenso kommunale Wohnungsunternehmen, wenn denn ihre Einnahmen nicht zur Sanierung der kommunalen Haushalte missbraucht werden. Sie stellen eine Basis für die zukünftig notwendigen Strukturen dar.
Wer nun sagt: „Das ist doch nicht zu machen; das ist ein riesiges Projekt“, dem entgegnen wir: Wer immer nur kleine Schritte macht, kann große Gräben nicht überwinden. – Wir fordern daher die Landesregierung auf, dieser Empfehlung, die ja eine Empfehlung der gesam-ten Enquetekommission ist, mit hoher Dringlichkeit nachzukommen.
Das bedarf grundsätzlich einer Bundesratsinitiative. Doch das Land kann auch direkt tätig werden. Der Bericht enthält sehr aufschlussreiche Anregungen darüber, wie Auffanglösun-gen für problematische Wohnungsbestände aussehen könnten. Das muss angegangen werden.
Ein weiterer wesentlicher – vielleicht sogar der wesentlichste – Punkt bei einer neuen Gemeinnützigkeit wird sein, dass die Mieter selbst mehr Mitsprache- und Mitbestimmungsrech-te erhalten. Keiner kennt die Situation vor Ort im Quartier und in den Wohnungen so gut wie die Menschen, die dort leben, und niemand anderes ist davon direkt betroffen. Wichtige Entscheidungen, zum Beispiel über Modernisierungen, sollten nicht mehr über die Köpfe hinweg getroffen werden; denn es ist eine Kernaufgabe von Demokratie, dass die Menschen über ihre Lebensumstände selbst entscheiden können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen nun die notwendigen politischen Konsequenzen ziehen. Das sind wir den Menschen schuldig, die ihr Vertrauen und ihre Hoffnung in die Enquetekommission gesetzt haben. Dabei dürfen wir auch nicht vor etwaigen Kosten zurückschrecken. Manche Ausgabe wird notwendig sein. Unterlassen wir sie, werden die ge-sellschaftlichen Kosten aber ungleich höher sein.
Die Piraten jedenfalls werden dafür sorgen, dass die Vorschläge der Enquete nicht von der Bildfläche verschwinden. Wir werden sie weiter konkretisieren. Prüfen reicht uns nämlich nicht. Es muss gehandelt werden. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Wegner.