Plenarsitzung 17, 12. Dezember 2012
EU-Datenschutzreform: Hohe Datenschutzstandards sicherstellen!
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN / Drucksache 16/1626
Mitschnitt der Rede von Frank Herrmann
Redeprotokoll:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürger – es sind sehr wenige im Saal; ich hoffe, zu Hause am Stream sind sehr viel mehr! Seit 2009, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon, ist das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten in der Europäischen Union als Grundrecht verankert. Jeder Bürger hat ein Anrecht auf den effektiven Schutz seiner Daten.
Dabei hängen für uns Datenschutz und die Achtung des privaten Familienlebens eng zusammen. Beides sind Grundpfeiler unserer modernen Gesellschaft im digitalen Zeitalter. Beides wird durch die Grundrechtecharta der EU geschützt.
(Beifall von den PIRATEN)
– Danke für die EU.
Doch der rasche technologische Fortschritt stellt an den Datenschutz erhebliche neue Anforderungen, denen das Datenschutzrecht aus den 90ern bei Weitem nicht gerecht wird. Alle Redner haben darauf hingewiesen. Unser deutsches Datenschutzrecht wird ihnen übrigens auch nicht gerecht.
Mit dem EU-Datenschutzreformpaket hat die Europäische Kommission im Januar dieses Jahres Verordnungs- und Regulierungsvorschläge auf den Tisch gelegt, um den Datenschutz in Europa an die Gegenwart und vor allen Dingen an die Zukunft anzupassen. Zurzeit wird im Europäischen Parlament und in den Ausschüssen darüber beraten und teilweise kontrovers diskutiert. Es gibt viele Eingaben und Änderungswünsche, vor allem aus der Wirtschaft und von den Regierungen der Mitgliedsländer. Für mich ist das im Übrigen ein Zeichen dafür, dass der Entwurf für die Bürger im Moment in die richtige Richtung geht – noch.
Gerade deshalb sehen wir es als eine Selbstverständlichkeit an, dass sich der Landtag in gebührender Tiefe mit der EU-Datenschutzreform befasst. Bei der Auseinandersetzung in der Detailtiefe habe ich mit Blick auf den Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen meine Bedenken. Völlig unabhängig von der inhaltlichen Bewertung der Kommissionsvorschläge, bei der wir sicherlich gar nicht so weit auseinanderliegen, haben Sie es in Ihrem Antrag versäumt, die Datenschutzreform in Gänze zu behandeln.
Neben der Grundverordnung schlägt die EU-Kommission eine Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten im Sicherheitsbereich vor. Ich will nur kurz anreißen, was Ihnen anscheinend entgangen ist. Der Richtlinienvorschlag formuliert die datenschutzrechtlichen Vorgaben für Polizei und Justizbehörden derart vage, dass von einem effektiven Schutzniveau nicht die Rede sein kann. Wir können dabei nicht akzeptieren, dass Behörden in Zukunft weitreichende Datenerhebungs- und -übermittlungsbefugnisse haben, nur weil sie angeben, „im öffentlichen Interesse“ zu handeln.
(Beifall von den PIRATEN)
Das öffnet behördlichem Datenmissbrauch Tür und Tor. Hier besteht akuter Nachbesserungsbedarf.
Die EU-Datenschutzreform muss also als Gesamtpaket aus diesen beiden Gesetzesvorschlägen angesehen und so behandelt werden. Sonst setzen wir uns auf der einen Seite für die dringend notwendige Modernisierung des Datenschutzes durch die Grundverordnung ein und machen auf der anderen Seite mit laschen Regelungen für Behörden, die zum Datenmissbrauch einladen, wieder alles zunichte.
Ein zweiter zentraler Aspekt für uns ist die Einbindung der Bevölkerung in den laufenden Reformprozess. Bei einer so wegweisenden Reform, die die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unmittelbar betrifft – und zwar beruflich wie privat –, ist das Einbeziehen der Bürger entscheidende Vorbedingung für den Erfolg des gesamten Reformvorhabens. Hier ist insbesondere die Landesregierung in der Pflicht, über die EU-Datenschutzreform zu informieren und die Bedeutung und den Wert eines europaweit einheitlichen Datenschutzrechts herauszustellen.
Aus diesem Grund haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, um die genannten Lücken im rot-grünen Antrag zu schließen. Wir als Landtag NRW müssen uns gemeinsam für ein modernes und effektives EU-Datenschutzrecht einsetzen, das diesen Namen auch verdient. Sie wissen, wir Piraten stehen im Sinne der Sache immer für den konstruktiven Dialog mit Ihnen allen bereit. Lassen Sie uns gemeinsam in den Ausschüssen die EU-Datenschutzreform breit debattieren und ein kraftvolles Signal aus Nordrhein-Westfalen für höchste Datenschutzstandards – europaweit – nach Brüssel senden. Stimmen Sie der Überweisung der Anträge an die Fachausschüsse zu. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen dort. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Herrmann. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Jäger.