Gesellschaft – Piratenpartei Deutschland https://www.piratenpartei.de Sun, 04 Jun 2017 11:20:23 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.7.5 https://www.piratenpartei.de/files/2016/12/cropped-logo-piratenpartei2015-150x150.png Gesellschaft – Piratenpartei Deutschland https://www.piratenpartei.de 32 32 Depression: Lass uns drüber reden https://www.piratenpartei.de/2017/04/07/depression-lass-uns-drueber-reden/ https://www.piratenpartei.de/2017/04/07/depression-lass-uns-drueber-reden/#comments Fri, 07 Apr 2017 12:22:00 +0000 https://www.piratenpartei.de/?p=29988 Weltweit leiden über 300 Millionen Menschen an einer depressiven Störung. In Deutschland sind es allein 4 Millionen Betroffene, wobei die Dunkelziffer sicher höher liegt. Nicht selten begehen Betroffene einen Suizidversuch. Das zeigt, wie schwer diese Störung ausgeprägt sein kann. Es gibt verschiedene Formen depressiver Störungen. Sie können chronisch, aber auch phasenweise in unterschiedlicher Stärke ausgeprägt sein. Depressive Störungen haben ihre Ursachen meist in einer Beeinträchtigung der Hirnchemie in Kombination mit äußeren auslösenden Faktoren. [1] [2]

Die Behandlung depressiver Störungen erfolgt in der Regel über eine Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie. So kann es Patienten gelingen, ihr Leiden in den Griff zu bekommen. Ob eine völlige Heilung möglich ist, gilt als umstritten. Depressive leiden konstant unter Trostlosigkeit, Verzweiflung, Antriebslosigkeit, aber auch besonderer Empfindsamkeit. Und das sind nur einige der Symptome, die je nach Mensch ganz unterschiedlich sein können. In sehr schweren Fällen sehen die Betroffenen oft Suizid als Ausweg. 25 Prozent der Depressiven versuchen mindestens einmal, sich das Leben zu nehmen, die Hälfte davon erfolgreich.

In der Gesellschaft stoßen Betroffene mit ihrem Leiden oftmals auf gravierende Probleme wie Unverständnis und teils sogar Verunglimpfung. Das führt dazu, dass viele Depressive lieber schweigen und sich hinter fröhlichen Alltagsmasken verbergen, bis sie eines Tages zusammen brechen, weil dieses gekünstelte „Normal Sein“ all ihre Kraft kostet. Auch verstecken sich psychisch Kranke lieber, als sich „klugen“ Sprüchen ihrer Mitmenschen auszusetzen wie „Reiß dich einfach mal zusammen“ oder „Wieso bist du depressiv? Anderen geht’s viel schlechter!“

Was die ärztliche Versorgung betrifft, sieht es gerade für Menschen mit psychischen Erkrankungen besorgniserregend aus. Es gibt zu wenig Psychotherapeuten, vor allem in ländlichen Gebieten und zu wenig Therapieplätze. Psychiater und Psychologen sind überlastet: sechs bis zwölf Monate Wartezeit sind die Regel, bis man überhaupt einen Termin ergattert. Und wenn man dann feststellt, dass zwischen sich und dem Psychotherapeuten „die Chemie nicht stimmt“, beginnt die Wartezeit bei einem anderen Therapeuten von vorne.

Auch mit Behörden ergeben sich für Depressive immer wieder Probleme. Viele psychisch kranke Menschen sind nach einiger Zeit nicht mehr in der Lage, dem Alltagsdruck standzuhalten, werden krankgeschrieben und verlieren oft auch ihre Arbeit, wenn dies zu häufig geschieht. Im Jobcenter oder der ARGE stoßen sie dann auf oftmals unwissende, diesbezüglich ungeschulte Sachbearbeiter, die ihrerseits Druck auf den Betroffenen ausüben. Ganz schnell erfolgen Sanktionen, weil Termine nicht eingehalten werden konnten und vieles mehr.

Wenn die „fürsorgliche Belagerung“, die der zukünftige Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, angekündigt hat, Realität wird, erhöht sich die Gefahr der Sanktionierung. Es geht offensichtlich nur noch darum, psychisch und auch physisch Erkrankte schnellstmöglich wieder nutzbringend in die Wirtschaft einzugliedern. Wer dabei nicht paragraphengetreu mitmachen kann, wird bestraft. Dass diese Herangehensweise der psychischen Verfassung depressiv Erkrankter nicht gerade förderlich ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Bereits 2013 haben die Piraten Forderungen erarbeitet, um hier etwas zu ändern. Unter dem Stichwort „Gesundheit – Psyche“ wurde damals der Antrag mit all seinen Modulen ins Wahlprogramm aufgenommen. Dieses Wahlprogramm ist nach wie vor gültig.
Der zielgerichtete und zeitnahe Ausbau gemeindenaher, psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung, eine inklusive Arbeitsmarktpolitik und eine deutliche Verbesserung der rechtlichen Situation von Menschen mit psychischen Störungen wird dort ebenso gefordert, wie umfassende Aufklärung über diese Krankheitsbilder, um Vorurteilen und Ausgrenzungen entgegen zu wirken.

Weitere Forderungen sind die Einrichtung einer bundesweiten Notrufnummer für Menschen mit psychischen Erkrankungen zur Krisenintervention sowie der Abbau bürokratischer Hürden für Betroffene. Insgesamt haben wir elf Hauptpunkte und mehrere Unterpunkte erarbeitet, um die Situation für psychisch Erkrankte in Deutschland zu erleichtern. Bekanntlich setzen wir uns auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Die Einführung des BGE würde gewährleisten, dass depressiv Erkrankte nicht länger der Ämterwillkür ausgesetzt sind. Jetzt wäre nur noch zu wünschen, dass Piraten eine Möglichkeit erhalten, diese Forderungen in den Bundestag einzubringen und Schritt für Schritt die Umsetzung zu erwirken. Vier Millionen Menschen in Deutschland wären dafür sehr dankbar.

[1] http://www.deutsche-depressionshilfe.de/stiftung/volkskrankheit-depression.php?r=p
[2] http://bmcmedicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/1741-7015-9-90

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BGE Abend https://www.piratenpartei.de/2017/04/05/bge-abend/ https://www.piratenpartei.de/2017/04/05/bge-abend/#comments Wed, 05 Apr 2017 10:41:10 +0000 https://www.piratenpartei.de/?p=29978 Am Mittwoch, den 05.04.17 ab 20 Uhr findet im Rahmen unserer AG-BGE Mumblesitzung eine Diskussionsrunde zum Thema Perspektiven und Voraussetzungen eines Bedingungslosen Grundeinkommen statt. Das Bedingungslose Grundeinkommen löst einige Probleme, aber nicht alle und kann nur ein Baustein einer zukünftigen Gesellschaft sein. Es muss zum Beispiel auch in ein Wirtschaftsmodell eingepasst werden.

Welche ökologischen Auswirkungen hätte das BGE? Welche Wirkungen, welche „Strahlkraft“ hätte es auf die Nachbarländer? Müsste es nicht von Anfang an europäisch, ja eigentlich weltweit gedacht werden? Wie würde es die deutsche Außenpolitik bzw. Entwicklungspolitik verändern? Das sind einige Fragen, über die diskutiert werden soll. Das BGE wäre der Grundpfeiler für eine andere Gesellschaft und seine Auswirkungen über die sozialen Aspekte hinaus werden noch zu wenig diskutiert. Ein folgerichtiger Schritt um seine Akzeptanz zu erhöhen, wäre daher, es mit der gesamten „Lebenswelt in Einklang“ zu bringen.

Die Veranstaltung wird live über das Piratenradio übertragen. Wer selbst an der Veranstaltung teilnehmen möchte, ist herzlich eingeladen. Falls ihr bereits Mumble nutzt gelangt ihr über den Direktlink sofort in den Veranstaltungsraum. Eine ausführliche Erklärung zu dem System findet ihr auf der Informationsseite zu Mumble.

 

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Warum Strafrechts- und Sexismusdebatten die falsche Reaktion auf Köln sind https://www.piratenpartei.de/2016/01/13/warum-strafrechts-und-sexismusdebatten-die-falsche-reaktion-auf-koeln-sind/ https://www.piratenpartei.de/2016/01/13/warum-strafrechts-und-sexismusdebatten-die-falsche-reaktion-auf-koeln-sind/#comments Wed, 13 Jan 2016 20:27:33 +0000 http://www.piratenpartei.de/?p=22859 Gastbeitrag von Corinna Bernauer

Warum Strafrechts- und Sexismusdebatten die falsche Reaktion auf Köln sind

Seit die Straftaten in Köln an Silvester bekannt geworden sind, ist viel über Lösungen diskutiert worden. Und das, obwohl valide Zahlen noch nicht einmal vorlagen. Aktuell gibt es zwar ca. 600 Anzeigen, aber noch keine rechtskräftigen Verurteilungen. Seltsam wirken auch die ersten Beschreibungen von Männern, die „nordafrikanisch“ aussehen – wie sieht denn ein Nordafrikaner aus? Nichtsdestoweniger gab es unmittelbar politische Forderungen nach einer Strafrechtsverschärfung sowie einen lauten Aufschrei seitens der Feminismus-Community, die beide im Gesamtbild völlig haltlos wirken.

Die einzig richtige Reaktion darauf kam bisher vom Landesvorstand und der Piratenfraktion in Nordrhein-Westfalen, die unmissverständlich den Rücktritt von Innenminister Ralf Jäger fordern. Bereits kurz nach Bekanntwerden der Ereignisse von Silvester hatte Monika Pieper, MdL der Piraten in Nordrhein-Westfalen, auf einen Minibericht des Focus hin Jägers Verbleib im Amt in Frage gestellt, falls sich der Bericht bewahrheiten würde, dass dieser trotz Warnungen keine weiteren Einsatzkräfte mobilisiert habe. Für den morgigen Donnerstag ist eine Sondersitzung des Landtags anberaumt, nachdem Jäger am Montag im Innenausschuss nicht die geringsten Fehler einräumen wollte und stattdessen der Polizei die Schuld gegeben hatte.

Diese Sitzung wird genau zu verfolgen sein, denn gerade hier liegen die politischen Fehler, die dazu führen konnten, dass die Übergriffe in Köln nicht verhindert wurden.

Das Versagen liegt nicht in einer angeblich sexualisierten Gesellschaft. Die These, dass Übergriffe zum „Machtwerkzeug des Patriarchats“ gehören, findet sich leider sogar innerhalb der Piratenpartei. Es gibt jedoch keinerlei Beleg dafür, dass die Ereignisse von Köln ihre Ursachen in einer generell sexistischen Haltung der Gesellschaft haben, selbst wenn man unterstellen würde, dass es diese überhaupt gäbe. In der Berichterstattung wurde vielmehr deutlich, dass die Belästigungen (auch wenn sie als schwerwiegenderes Delikt in den Vordergrund gerückt sind) wohl in erster Linie zur Tarnung dienten, Menschen zu überrumpeln und dann auszurauben. Natürlich macht das den Schock eines sexualisierten Angriffs nicht weniger schlimm. Aber wenn dieser reines Mittel zum Zweck ist, erübrigt sich die Sexismusdebatte.

Auch sollte man an dieser Stelle mit „#eineArmlaenge“ aufräumen: Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte auf einer Pressekonferenz auf die ausdrückliche Frage, wie Frauen sich denn schützen könnten, geantwortet, die Frauen sollten eine Armeslänge Abstand halten. Daraus nun den Vorwurf zu basteln, Reker hätte Frauen die Verantwortung zugeschoben, ist schlicht blanker Unsinn. Hätte Reker gesagt, es sei nicht Aufgabe von Frauen, sich zu schützen, hätte die Internetgemeinde ihr vermutlich vorgeworfen, sie wolle Frauen schutzlos ihren Peinigern ausliefern.

Die Ursachen lagen auch nicht in zu geringen Strafen, wie Heiko „Vorratsdatenspeicherung“ Maas meinte und gleich ein Gesetz ankündigte, mit dem angebliche Lücken im Strafrecht geschlossen werden sollen. Einige Regelungen davon mögen grundsätzlich sinnvoll sein, aber sie gehen zu weit. Nehmen wir die geplante Änderung von § 179 StGB, mit der künftig auch das überrumpelte und daher widerstandsunfähige Opfer geschützt werden soll. Das klingt erstmal sinnvoll, weil Herr Maas dabei an die Opfer in Köln denkt. Juristen sollten aber an die Grenzfälle denken: Was ist, wenn jemand beim Flirten irgendwann die Hand des Gegenübers nimmt? Oder die Hand auf dessen Knie legt? Oder jemanden küsst? Will sagen: Der neue § 179 StGB differenziert nicht zwischen dem aggressiven Räuber auf der Straße und dem Teenager, der vor lauter Aufregung die Signale seines Partners falsch deutet.

Wie BGH-Richter Fischer zudem bereits 2015 betont hatte, liegt das Problem einer Strafrechtsverschärfung darin, dass diese auch ein Stück weit freiheitsraubend ist. Selbstverständlich ist es theoretisch möglich, absolut jede sexuelle Handlung, in die nicht ausdrücklich eingewilligt wurde, unter Strafe zu stellen. Dies ist aber gerade in einem so persönlichen Bereich wie dem Sexualleben problematisch, zumal Menschen in privatem Kreis auch mal uneindeutige Signale an Flirtpartner senden. War die entspechende Reaktion nicht erwünscht, kann sie nach dem neuen Strafrecht zur Strafbarkeit führen. Dass für jegliche Handlung, die man im weitesten Sinne als „sexuell“ betrachten kann, eine ausdrückliche Einwilligung vorliegen müsse, ist lebensfremd und Ausdruck einer Politik, die auch noch die intimsten Lebensbereiche ihrer Bürger kontrollieren will. Jeder Mensch hat das Recht, „Nein“ zu sagen, aber solange das Gegenüber dazu in der Lage ist, muss man in gewissen Situationen auch ein „Nein“ verlangen können.

Und – leider muss man auch das betonen – selbstverständlich liegt das Problem erst recht nicht in der Zuwanderung. Dass sich syrische Flüchtlinge in Köln über Flugblätter sofort von den Ereignissen distanziert hatten, hinderte Politiker quer durch den Bundestag nicht daran, auf den Zug von AfD und Pegida aufzuspringen. Kanzlerin Merkel unterwarf sich dem Populismus ihrer eigenen Partei ebenso wie die LINKE-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, die vom „Verwirken des Gastrechtes“ sprach. Man muss es deutlich sagen: Die Flüchtlinge sind nicht als Gäste hier; sie sind als Menschen in Not hier. Wir gewähren ihnen Asyl, weil es eine Frage von Menschlichkeit ist, einen Mitmenschen nicht an einer Grenze hängenzulassen, auf deren anderen Seite er sterben würde. Menschlichkeit kann aber nicht verwirkt werden, auch nicht durch einen Handtaschendiebstahl.

Übrig bleibt also die ganz banale Frage: Warum bekommt in Köln die Polizei Randalierer nicht in den Griff, obwohl ihnen die volle Macht der Staatsgewalt einschließlich Platzverweisen, Festnahmen und ggf. Waffengewalt zur Verfügung steht? Warum kam niemand den Menschen zu Hilfe, als diese belästigt wurden? Die Antwort ist die übliche: zu wenig Polizei. Dabei geht es nur begrenzt darum, dass die Polizei zu wenig Leute in der Kölner Innenstadt hatte, wie sie selbst eingeräumt hat.

Es geht darum, dass die Polizei seit Jahren generell personell nicht ausreichend ausgestattet ist. Es geht darum, dass Politiker seit Jahren versuchen, Polizeibeamte durch Überwachungskameras und Gesetzesverschärfungen zu ersetzen. Aber weder Kameras noch neue Gesetze werden verhindern, dass sich Raubüberfälle wiederholen, denn Kameras steigern eben doch nur die „gefühlte Sicherheit“. Wirklich verhindert werden kann ein Verbrechen nur durch die Anwesenheit von genug Polizisten vor Ort, und Jäger wird Rede und Antwort stehen müssen, warum das in Köln nicht der Fall war. Deswegen sollten wir uns nicht in Strafrechts- und Sexismusdiskussionen vertiefen, sondern vor allem genau hinschauen, was der nordrhein-westfälische Innenminister zu diesem Thema sagt. Diskussionen in andere Richtungen laufen nur darauf hinaus, von einer einfachen Tatsache abzulenken: Mehr Überwachung bringt keine Sicherheit. Deswegen ist Jäger nach den Ereignissen von Köln nicht mehr tragbar.

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